Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Genie als Mittel zur Wellness

Das Rilke Projekt trat in Gersthofen auf

- VON CLAUDIUS WIEDEMANN

Die Gedichte und Briefe von Rainer Maria Rilke zählen zu den großen literarisc­hen Werken. Diesen Texten widmete sich das „Rilke Projekt“, das vor bescheiden­er Zuhörersch­aft in der Stadthalle Gersthofen gastierte. Eingefleis­chte Rilke Fans wurden dabei eher enttäuscht, neue auch nicht hinzugewon­nen. Von jener innovative­n und erschütter­nden Kraft Rilkes war bei diesem Literatur-projekt sehr wenig zu spüren.

Im Hintergrun­d saß in nahezu stoischer Ruhe die Rilke Projekt Live Band an Flügel, Keyboard, Gitarren und Drums. Die Bühne war in dämmeriges Licht getaucht. Im Vordergrun­d zwei Mikrofone und ein Tischchen mit Leselampe. Dort trugen abwechseln­d die beiden Fernsehsch­auspieler Nina Hoger und Sebastian Urzendowsk­y sowie der Sänger Edo Zanki Texte vor, meist abgelesen, rezitiert oder in vertonter Form.

Von Beginn an war eine Unkonzentr­iertheit zu spüren, fehlerhaft­e Text- und Toneinsätz­e irritierte­n ebenso wie die Qualität des Gesangs. Von Beginn an war alles beherrscht von einer Monotonie im Gewand des Geheimnisv­ollen, der Vortrag sollte bedeutungs­schwanger klingen, die Verse vermittelt­en aber nichts. Mehr und mehr wurde das Ganze zur Gratwander­ung zwischen Kunst und Kitsch, wobei allzu oft in Richtung Kitsch abgeglitte­n wurde. Rilkes kunstvolle Reime mit ihren fließenden Rhythmen kamen wie ein Klangteppi­ch, eine inhaltslee­re Wellness-behandlung daher.

Das wäre nur halb so schlimm, hätten die Macher und Komponiste­n des Projekts, Richard Schönherz und Angelica Fleer, nicht behauptet, dass ein außergewöh­nliches, gar das erfolgreic­hste Lyrikproje­kt des Jahrhunder­ts präsentier­t würde. Nein, das war nicht der Fall. Aber womöglich wurde der ein oder andere Zuschauer dennoch angeregt, sich wieder einmal Rilkes Lyrik zur Hand zu nehmen.

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Foto: Fred Schöllhorn Nina vor. Hoger trägt Rainer Maria Rilke

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