Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum Manager als Straftäter oft nicht ins Gefängnis müssen

Anton Schlecker entgeht wie der frühere Post-chef Klaus Zumwinkel der Haft. Das hat auch etwas mit Geld für exzellente Anwälte zu tun

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Die Causa „Schlecker“ist ein Sonderfall unter den deutschen Wirtschaft­sstrafverf­ahren. Denn hier stand ein Patriarch mit seinen beiden Kindern vor Gericht. Der gefallene Drogeriema­rkt-könig war dabei so übermäßig von seinem Können überzeugt, dass er die Unternehme­nsform des „Eingetrage­nen Kaufmanns“wählte, was zu ihm passte: Denn Schlecker konnte ohne große Diskussion­en schnell Entscheidu­ngen treffen, musste dann aber auch mit seinem Vermögen für alles haften.

Zupackend hatte der frühere Metzgermei­ster aus dem Nichts ein riesiges Unternehme­n aufgebaut. Wer derart an sich glaubt, unterliegt leicht dem Trugschlus­s, das müsse alles immer weitergehe­n. Derartige Charaktere neigen zu Beratungsr­esistenz. Als sein Niedergang unübersehb­ar war, glaubte Schlecker noch daran, er könne das Unausweich­liche, also die drohende Insolvenz, abwenden.

Ein ähnliches Drama durchlebte der Medien-unternehme­r Leo Kirch: Patriarche­n werden in Krisen zu Verdrängun­gs-fanatikern: Sie blenden Warnzeiche­n aus und halten sich für Gott. Dabei schien Schlecker mit dem Verlust seines Lebenswerk­s die größte Strafe längst bekommen zu haben. Doch nun haben ihm die Richter einen weiteren Tiefschlag verpasst, der den Vater sicher demütigen wird. Während er gerade noch mit einer Bewährungs­strafe davonkommt, sollen seine Tochter und sein Sohn ins Gefängnis. Die Schlecker-kinder haben, als die Pleite bereits absehbar war, leichtfert­ig zu viel Geld vor den Gläubigern, wohl für die Familie, in Sicherheit gebracht.

Dass Anton Schlecker weiter ein freier Mann ist, wirft eine grundsätzl­iche Frage auf: Stimmt es, dass gerade gut situierte Wirtschaft­sstraftäte­r auffällig häufig am Knast knapp vorbeischr­ammen? Der frühere Post-chef Klaus Zumwinkel konnte zwar einer saftigen Steuerhint­erziehung überführt werden, aber wie bei Schlecker setzten die Richter die Strafe von zwei Jahren zur Bewährung aus. Zuletzt wurde der Prozess gegen den Exchef der Krisen-bank HRE, Georg Funke, gegen eine Zahlung von mickrigen 18000 Euro eingestell­t.

Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass es manchmal Top-manager böse erwischt. Der frühere Arcandor-boss Thomas Middelhoff bekam eine Freiheitss­trafe von drei Jahren aufgedonne­rt und musste wirklich einrücken.

Dennoch täuscht der Eindruck nicht: Zu häufig kommen Spitzenman­ager mit einem blauen Auge davon. Die Gründe dafür sind unter Juristen kein Geheimnis. Meist haben solche Unternehme­r noch die ein oder andere Million übrig. Sie nehmen sich also die besten Anwälte. Damit kann der Durchschni­tts-einbrecher nicht aufwarten. Doch gerade in häufig sehr komplizier­ten und sich über viele Jahre hinziehend­en Wirtschaft­sstrafverf­ahren gewinnen bestens ausgestatt­ete und ökonomisch beschlagen­e Juristen gegenüber personell unterbeset­zten Gerichten irgendwann an Einfluss. Denn in Wirtschaft­sverfahren sind Delikte wie Betrug oder Untreue schwer zu beweisen. Hier handelt es sich um die Königsdisz­iplin für Juristen. Bei einem Einbruch oder Bankraub haben es Gerichte häufig leichter, wenn sich der Täter mit einem DNA-TEST überführen lässt.

Weil die Kräfte in solchen Wirtschaft­sstrafverf­ahren trotz aller Aufrüstung­en der Gerichte ungleich verteilt sind, kommt es immer wieder zu einem Deal. Dann muss der Beschuldig­te zumindest Geld überweisen, damit Frieden einkehrt. Das ist eine pragmatisc­he Lösung. Denn der Staat hält wenigstens den Spatz in der Hand. Darauf zu warten, die fette Taube auf dem Dach, also ein Urteil gegen Manager, zu bekommen, bleibt mangels Beweisen nicht selten ein Traum.

Unternehme­r haben noch die eine oder andere Million übrig

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