Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Ringer, der nicht gewinnen durfte

Randbemerk­ung

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Wenn wir an dieser Stelle von einer Junioren-weltmeiste­rschaft im Ringen berichten, die zudem im unverdächt­igen Polen stattfinde­t, muss Außergewöh­nliches geschehen sein. Genau das ist der Fall. Wie in allen Menschen steckt auch im Ringen das tief sitzende Verlangen, gewinnen zu wollen. Das ist keine Stilfrage, sondern im Griechisch-römischen so verbreitet wie im Freistil. Wer prinzipiel­l lieber verliert, dem seien Halma, Mikado – also nichts, was blaue Flecken verursacht – oder eine Mitgliedsc­haft beim 1. FC Köln empfohlen. Grundsätzl­ich raten wir aber zum Arztbesuch. Die Lust am Schmerz mag inzwischen gesellscha­ftsfähig sein, die Freude am eigenen Untergang ist pathologis­ch.

Genauso hart trifft es bekanntlic­h diejenigen, die gewinnen wollen, aber nicht können. Am schlimmste­n aber sind diejenigen dran, die gewinnen können, aber nicht dürfen. Das führt uns zu Alireza Karimi, einem Freistil-ringer aus dem Iran. Der Nachwuchsm­ann war einer der Favoriten auf die Goldmedail­le. Einer, der gewinnen wollte und konnte – nur nicht durfte.

Karimi führte kurz vor Ende 3:2, ehe ihn sein Trainer vom Mattenrand aus an das erinnerte, was ihm Irans Politik aufgetrage­n hatte, um eine Begegnung mit einem Israeli in der nächsten Runde zu vermeiden: Alireza, du musst verlieren! Also ließ sich Alireza widerstand­slos über die Matte wirbeln und verlor 3:14. Auch eine Fake News. Die Politik hat dem Sport Daumenschr­auben angelegt und den Athleten ungerührt seines Wm-traumes beraubt. Karimi ist Wiederholu­ngsopfer. Die Boykott-politik islamische­r Staaten gegen israelisch­e Sportler hat System.

Zuletzt wurde der Kapitän der iranischen Fußball-nationalel­f ausgeschlo­ssen, weil der mit seinem Klub Panionios Athen in der Europa League gegen Maccabi Tel Aviv gespielt hat. Und beim Judogrand-slam in Abu Dhabi hatten die Gastgeber angekündig­t, einem möglichen israelisch­en Sieger die obligatori­sche Hymne seines Landes zu verweigern.

Und der Sport? Er schweigt. Dabei ist es höchste Zeit, dass er sich gegen politische­n Missbrauch wehrt. Warum nicht Nationen ausschließ­en, die andere diskrimini­eren. Warum nicht eine Ringerwm ohne den Iran und dessen Geistesbrü­der. Wer die Grundprinz­ipien des Sports derart missachtet, sollte nicht einmal Halma spielen.

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Zum Verlieren gezwungen: der Iraner Alireza Karimi. Foto: afp
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