Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Jedes Bordell braucht jetzt eine Erlaubnis
Rotlichtmilieu Für jeden Imbissstand galten bisher strengere Regeln als für ein Bordell. Das soll sich ändern. Die Stadt hat dafür extra zwei neue Stellen geschaffen. Doch es ist fraglich, ob sich für die Prostituierten viel verbessert
Sie nennen sich Chiara, Larissa und Kendra. Einige der Frauen werben im Internet damit, dass sie 24 Stunden am Tag dazu bereit seien, Freier bei sich zu empfangen. Andere Frauen betonen, sie seien für „alle Wünsche“offen. Die Anzeigen sind zwar so formuliert, als ob die Prostituierten alle große Freude daran hätten, ihren Körper zu verkaufen. Doch selbst aus ihnen wird deutlich, wie hart die Arbeit in der Sex-branche tatsächlich ist. Chiara, Larissa und Kendra arbeiten in einem Bordell in der Riedinger Straße.
Die Adresse – es handelt sich um ein ehemaliges Mietshaus – ist seit Jahren im Rotlichtmilieu bekannt. Das Haus wurde aber jahrelang ohne eine baurechtliche Genehmigung betrieben. Es war der Hinweis eines Konkurrenten, der nach Informationen unserer Redaktion dazu führte, dass die Stadt tätig geworden ist und den Fall geprüft hat. Der Besitzer musste eine Nutzungsänderung beantragen. Nach einem längeren Verfahren ist die Bordellnutzung im Sommer erlaubt worden. Weil sich der Standort nicht in einem Wohngebiet befinde, sei dies möglich gewesen, sagt die städtische Baujuristin Carolin Rößler-schick. Genehmigt sind dort jetzt 22 „Arbeitszimmer“sowie ein „Themenund Massagebereich“.
Bisher reichte den Bordellbetreibern eine solche Genehmigung von der Baubehörde. Anders als bei Restaurants, Bars und Diskotheken benötigte ein Bordell keine Extra-lizenz. Jeder konnte ein Bordell betreiben, auch Personen mit Vorstrafen wie Zuhälterei oder Menschenhandel. Das hat sich geändert. Seit Juli gilt bundesweit ein neues Gesetz, das Prostituierte besser gegen Ausbeutung schützen soll. Bordellbetreiber benötigen nun auch eine Lizenz des Ordnungsamtes.
Die Bordelle müssen Auflagen erfüllen, die es bisher so nicht gab. Dazu gehört etwa, dass die Zimmer mit einem Alarmsystem ausgestattet werden müssen. Die Frauen dürfen nicht im selben Zimmer leben und arbeiten. Genau das ist zuletzt fast schon zum Standard geworden. Die Frauen, meist aus Osteuropa, halten sich oft fast 24 Stunden am Tag im selben Zimmer auf – meist nur unterbrochen von kurzen Ausflügen zur Tankstelle oder zum Supermarkt. Neu ist auch: Wer bestimmte Vorstrafen hat, der darf einen Bordellbetrieb nicht mehr leiten.
Für die Behörden ist die Kontrolle des Milieus Neuland – und ein großer Aufwand. Deshalb wurden im Ordnungsreferat der Stadt zwei neue Stellen geschaffen. Noch haben die wenigsten Bordellbetreiber eine Erlaubnis beantragt. Bis Anfang November lagen rund ein Dutzend Anträge vor. Die Stadt geht aktuell aber von rund 80 Betrieben aus. Dazu zählen nicht nur die rund 20 größeren Häuser, sondern auch einzelne Bordellwohnungen. Allerdings kennt die Stadtverwaltung bislang wohl auch nicht alle Orte, an denen Prostitution angeboten wird. Viele Etablissements wurden bis jetzt ohne jede Anmeldung betrieben – auch ohne baurechtliche Erlaubnis. Diese Bordellwohnungen findet man mitunter auch in normalen Mietshäusern in Wohngebieten.
Genehmigt ist bis jetzt noch kein einziger Betrieb, sagt Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD). In vielen Fällen fehlten noch Unterlagen. Allerdings läuft ohnehin noch eine Übergangsfrist. Die Bordellbetriebe müssen die Unterlagen erst spätestens bis Jahresende einreichen. Für Verwirrung sorgt, das jetzt zwei Ämter in der Stadtverwaltung für die Bordelle zuständig sind – Baubehörde und Ordnungsbehörde. Kann nun das eine Amt ein Bordell erlauben, während es das andere Amt verbieten? Theoretisch sei das denkbar, heißt es bei der Stadt. Man will es aber nicht so weit kommen lassen. Es fänden, so die Auskunft, noch „Abstimmungen“statt.
Die Rotlicht-ermittler der Augsburger Kripo versprechen sich von den neuen Regeln, dass sich die oft schlechten Arbeitsbedingungen der Prostituierten im Milieu verbessern. Fortschritte im Kampf gegen Zuhälterei und Menschenhandel erwarten die Beamten dagegen eher nicht. Dazu müssten die Behörden zunächst einen Überblick darüber haben, welche Prostituierten überhaupt in der Stadt arbeiten. Eine solche Anmeldepflicht gibt es aber nach wie vor nicht. Die Frauen müssen sich nun zwar alle zwei Jahre bei der Stadt anmelden, in der sie hauptsächlich arbeiten. Tatsächlich ist es aber so, dass die meisten Prostituierten ständig umher reisen und nirgends länger als ein paar Wochen bleiben. Bordellbetreiber mit Vorstrafen werden nach Einschätzung der Polizei zudem versuchen, das Problem über Strohleute zu regeln.