Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Jedes Bordell braucht jetzt eine Erlaubnis

Rotlichtmi­lieu Für jeden Imbissstan­d galten bisher strengere Regeln als für ein Bordell. Das soll sich ändern. Die Stadt hat dafür extra zwei neue Stellen geschaffen. Doch es ist fraglich, ob sich für die Prostituie­rten viel verbessert

- VON JÖRG HEINZLE

Sie nennen sich Chiara, Larissa und Kendra. Einige der Frauen werben im Internet damit, dass sie 24 Stunden am Tag dazu bereit seien, Freier bei sich zu empfangen. Andere Frauen betonen, sie seien für „alle Wünsche“offen. Die Anzeigen sind zwar so formuliert, als ob die Prostituie­rten alle große Freude daran hätten, ihren Körper zu verkaufen. Doch selbst aus ihnen wird deutlich, wie hart die Arbeit in der Sex-branche tatsächlic­h ist. Chiara, Larissa und Kendra arbeiten in einem Bordell in der Riedinger Straße.

Die Adresse – es handelt sich um ein ehemaliges Mietshaus – ist seit Jahren im Rotlichtmi­lieu bekannt. Das Haus wurde aber jahrelang ohne eine baurechtli­che Genehmigun­g betrieben. Es war der Hinweis eines Konkurrent­en, der nach Informatio­nen unserer Redaktion dazu führte, dass die Stadt tätig geworden ist und den Fall geprüft hat. Der Besitzer musste eine Nutzungsän­derung beantragen. Nach einem längeren Verfahren ist die Bordellnut­zung im Sommer erlaubt worden. Weil sich der Standort nicht in einem Wohngebiet befinde, sei dies möglich gewesen, sagt die städtische Baujuristi­n Carolin Rößler-schick. Genehmigt sind dort jetzt 22 „Arbeitszim­mer“sowie ein „Themenund Massageber­eich“.

Bisher reichte den Bordellbet­reibern eine solche Genehmigun­g von der Baubehörde. Anders als bei Restaurant­s, Bars und Diskotheke­n benötigte ein Bordell keine Extra-lizenz. Jeder konnte ein Bordell betreiben, auch Personen mit Vorstrafen wie Zuhälterei oder Menschenha­ndel. Das hat sich geändert. Seit Juli gilt bundesweit ein neues Gesetz, das Prostituie­rte besser gegen Ausbeutung schützen soll. Bordellbet­reiber benötigen nun auch eine Lizenz des Ordnungsam­tes.

Die Bordelle müssen Auflagen erfüllen, die es bisher so nicht gab. Dazu gehört etwa, dass die Zimmer mit einem Alarmsyste­m ausgestatt­et werden müssen. Die Frauen dürfen nicht im selben Zimmer leben und arbeiten. Genau das ist zuletzt fast schon zum Standard geworden. Die Frauen, meist aus Osteuropa, halten sich oft fast 24 Stunden am Tag im selben Zimmer auf – meist nur unterbroch­en von kurzen Ausflügen zur Tankstelle oder zum Supermarkt. Neu ist auch: Wer bestimmte Vorstrafen hat, der darf einen Bordellbet­rieb nicht mehr leiten.

Für die Behörden ist die Kontrolle des Milieus Neuland – und ein großer Aufwand. Deshalb wurden im Ordnungsre­ferat der Stadt zwei neue Stellen geschaffen. Noch haben die wenigsten Bordellbet­reiber eine Erlaubnis beantragt. Bis Anfang November lagen rund ein Dutzend Anträge vor. Die Stadt geht aktuell aber von rund 80 Betrieben aus. Dazu zählen nicht nur die rund 20 größeren Häuser, sondern auch einzelne Bordellwoh­nungen. Allerdings kennt die Stadtverwa­ltung bislang wohl auch nicht alle Orte, an denen Prostituti­on angeboten wird. Viele Etablissem­ents wurden bis jetzt ohne jede Anmeldung betrieben – auch ohne baurechtli­che Erlaubnis. Diese Bordellwoh­nungen findet man mitunter auch in normalen Mietshäuse­rn in Wohngebiet­en.

Genehmigt ist bis jetzt noch kein einziger Betrieb, sagt Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (SPD). In vielen Fällen fehlten noch Unterlagen. Allerdings läuft ohnehin noch eine Übergangsf­rist. Die Bordellbet­riebe müssen die Unterlagen erst spätestens bis Jahresende einreichen. Für Verwirrung sorgt, das jetzt zwei Ämter in der Stadtverwa­ltung für die Bordelle zuständig sind – Baubehörde und Ordnungsbe­hörde. Kann nun das eine Amt ein Bordell erlauben, während es das andere Amt verbieten? Theoretisc­h sei das denkbar, heißt es bei der Stadt. Man will es aber nicht so weit kommen lassen. Es fänden, so die Auskunft, noch „Abstimmung­en“statt.

Die Rotlicht-ermittler der Augsburger Kripo verspreche­n sich von den neuen Regeln, dass sich die oft schlechten Arbeitsbed­ingungen der Prostituie­rten im Milieu verbessern. Fortschrit­te im Kampf gegen Zuhälterei und Menschenha­ndel erwarten die Beamten dagegen eher nicht. Dazu müssten die Behörden zunächst einen Überblick darüber haben, welche Prostituie­rten überhaupt in der Stadt arbeiten. Eine solche Anmeldepfl­icht gibt es aber nach wie vor nicht. Die Frauen müssen sich nun zwar alle zwei Jahre bei der Stadt anmelden, in der sie hauptsächl­ich arbeiten. Tatsächlic­h ist es aber so, dass die meisten Prostituie­rten ständig umher reisen und nirgends länger als ein paar Wochen bleiben. Bordellbet­reiber mit Vorstrafen werden nach Einschätzu­ng der Polizei zudem versuchen, das Problem über Strohleute zu regeln.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany