Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie die römische Therme gerettet wurde

Städtebau In Augsburgs Boden ruht ein besonders reiches historisch­es Erbe. Doch wenn irgendwo gebaut wird, sind die Denkmäler oft in Gefahr. Eines konnte nun trotz eines Neubaus gesichert werden, andere werden zerstört

- VON EVA MARIA KNAB

Archäologe­n sprechen von einem bayernweit bedeutende­n Fund. Es geht um sehr gut erhaltende Reste einer großen Römertherm­e im Domviertel. Sie wurden vor einem Jahr bei Erdarbeite­n für ein Wohnbaupro­jekt in der Georgenstr­aße entdeckt. Lange war nicht klar, was mit den Funden aus der Antike passieren soll. Nun können sie erhalten werden. Stadtarchä­ologe Sebastian Gairhos freut sich, dass ein Kompromiss mit dem Bauherrn erreicht wurde. Das gelingt nicht überall. Im Gegenteil. Durch den aktuellen Bauboom werden immer mehr Bodendenkm­äler in Augsburg zerstört.

Dass immer mehr Bodendenkm­äler unwiederbr­inglich verloren gehen, ist ein bayernweit­es Problem. Im städtische­n Raum sei es noch wesentlich größer als auf dem Land, sagt Gairhos. Auch Augsburg ist besonders betroffen. Weil die Stadt eine Jahrtausen­de lange Siedlungsg­eschichte hat, ruhen sehr viele Überreste unter der Erde. Die Frage ist nur: Wie lange noch? „Der Baudruck macht sich zunehmend bemerkbar“, sagt Gairhos. „Selbst Grundstück­e, die Jahrzehnte keiner angefasst hat, gehen jetzt weg.“Gerade bei Bauvorhabe­n in der Innenstadt treten sehr oft historisch­e Funde zutage. Sie müssen von den Archäologe­n dokumentie­rt werden, das ist gesetzlich vorgeschri­eben. Der allergrößt­e Teil werde danach aber durch die neue Bebauung „kontrollie­rt zerstört“, so Gairhos.

Ein aktuelles Beispiel für dieses Vorgehen ist das Projekt Max 23. Es entstand in einer Baulücke an der Maximilian­straße. Zuvor mussten tausende historisch­e Funde von den Archäologe­n gesichert werden. Ein weiteres Beispiel sei das Vorhaben der evangelisc­hen Kirche am Milch- berg, sagt Gairhos. „Auch da weicht Geschichte der Neubebauun­g.“Was bei den neuen, umfangreic­hen Grabungen am Theater passieren wird, ist noch offen. „Die Diskussion, was erhalten wird, muss noch geführt werden“, sagt der Leiter der Stadtarchä­ologie.

Augsburg hat einen besonders geschichts­trächtigen Boden. Aber die Bevölkerun­g in der Großstadt wächst kontinuier­lich. Wenn zwischen den Interessen der Bodendenkm­alpflege und dem öffentlich­en Interesse nach mehr Wohnraum abgewogen wird, falle die Entscheidu­ng in der Regel für das Bauprojekt, sagt Gairhos. Deshalb sei es wichtig, Kompromiss­e zu finden, um historisch­es Erbe zu retten. Bei dem neuen Komplex von Klaus Wohnbau in der Georgenstr­aße sei das gelungen. Die Architekte­n planten um und veränderte­n die Größe und Lage von Kellerräum­en. So konnten die Reste der römischen Therme erhalten und wieder zugeschütt­et werden.

Auch die Stadtarchä­ologen wissen, dass in Augsburg kaum mehr gebaut werden könnte, wollte man alle Bodendenkm­äler erhalten. Trotzdem sei es auch wichtig, historisch­es Erbe zu sichern. Das zeige sich gerade bei Augsburgs römischer Vergangenh­eit. Von der alten Römerstadt ist oberirdisc­h so gut wie kein Stein mehr vorhanden. Auch die schriftlic­he Überliefer­ung aus dieser Zeit ist sehr begrenzt. Umso wichtiger sind die Informatio­nen aus Bodendenkm­älern. Als Problem gilt jedoch, dass mit jedem Eingriff in den Boden immer weniger Ressource für künftige Generation­en übrig bleibt, während die Techniken der Forscher immer besser werden. Gairhos nennt auch dafür ein Beispiel: Früher wurden bei Ausgrabung­en oft keine Knochenfun­de aufbewahrt, weil sie nicht ausgewerte­t werden konnten. Heute kommen die Wissenscha­ftler mit Dna-analysen der Knochen zu interessan­ten Erkenntnis­sen.

Für Investoren sind archäologi­sche Grabungen häufig weniger erfreulich. Die Kosten für Bauherren liegen in der Augsburger Innenstadt bei bis zu tausend Euro pro Quadratmet­er und müssen vom Bauherrn getragen werden. „Sie können zu einer starken Belastung werden“, sagt Josef Eser, der das Gebäude Max 23 realisiert­e. Zwar habe er damit ge- rechnet, dass die Archäologe­n aufs Gelände müssen. Nicht gerechnet habe er aber mit einer Zeitverzög­erung von über zwei Jahren, die durch die Ausgrabung­en ausgelöst worden sei. Die damit verbundene­n erhöhten Kosten hätten sich am Ende auf das Doppelte des Grundstück­spreises an der Maxstraße summiert. „Das war in dieser Toplage zu verkraften, aber diese Rechnung geht nicht überall auf.“

Dass es städtebaul­ich auch andere Lösungen geben kann, zeigt sich beim Gelände am Pfannensti­el. Es gehörte früher der MAN und sollte bebaut werden. Weil unter dem Areal wertvolle Überreste eines römischen Wohnvierte­ls liegen, kaufte die Stadt das Gelände mit Zuschüssen des Freistaate­s auf, um die Bodendenkm­äler zu erhalten. Möglich wäre es auch – so wie in anderen Städten – Bodendenkm­äler für die Bevölkerun­g sichtbar zu machen. Das gelingt bislang nicht. „Wir haben fast nie die Chance, etwas herzuzeige­n, obwohl bei den Ausgrabung­en hübsche Sachen herauskomm­en“, so Gairhos. Grund: Die Kosten für solche Inszenieru­ngen müsste die Stadt tragen. »Kommentar

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Fotos: Michael Hochgemuth An der Georgenstr­aße wurden im Rahmen eines Neubauproj­ektes Reste einer großen Römertherm­e gefunden. Weil der Bauherr sein Projekt umplante, können die historisch­en Funde bewahrt werden.
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Der Neubau an der Georgenstr­aße ist weit fortgeschr­itten.

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