Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Er streitet alles ab, dann trinkt er das Gift
Kriegsverbrechertribunal Ein verurteilter General nimmt sich im Gerichtssaal das Leben
Den Haag Nach seiner Verurteilung zu 20 Jahren Haft beim Un-kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat sich ein Angeklagter im Gerichtssaal vergiftet. Der 72-jährige Slobodan Praljak hatte nach seiner Verurteilung heftig protestiert und dann vor laufenden Kameras eine Flüssigkeit getrunken – seiner Verteidigerin zufolge handelte es sich um Gift. Kurze Zeit später meldeten kroatische Medien den Tod des Mannes. Was er genau eingenommen hatte und wie das Fläschchen mit der Flüssigkeit in den Gerichtssaal kommen konnte, war am Abend noch unklar.
Während des Bosnienkrieges 1992 bis 1995 war Praljak Militärchef der bosnischen Kroaten gewesen. Der Angeklagte hatte nach seiner Verurteilung gerufen: „Slobodan Praljak ist kein Kriegsverbrecher. Ich weise Ihr Urteil zurück.“Dann trank er aus einem kleinen dunklen Becher eine Flüssigkeit.
Gemeinsam mit fünf anderen Männern der ehemaligen Führungsriege der bosnischen Kroaten war Praljak wegen schwerer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bosnienkrieg angeklagt. 2013 war er in erster Instanz zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Diese Strafe haben die Berufungsrichter gestern bestätigt. Es sollte das letzte Urteil des Unkriegsverbrechertribunals zum früheren Jugoslawien sein, das nach rund 24 Jahren zum Jahresende seine Arbeit abschließt.
Der Hauptangeklagte Jadranko Prlic, 58, der ehemalige Regierungschef des damaligen, selbst proklamierten Kleinstaates Hercegbosna, wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht bestätigte auch die Mitschuld des damaligen Präsidenten Kroatiens, Franjo Tudjman, an Kriegsverbrechen. Tausende von Muslimen waren im bosnischen Krieg Opfer von Mord, Vergewaltigung, Vertreibung und Terror geworden. Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic kritisierte den Schuldspruch scharf. Der Parlamentspräsident äußerte sich ähnlich: Die Kroaten seien Opfer von all dem, was im Bosnienkrieg geschehen sei. Das Un-tribunal war das erste internationale Gericht für Urteile wegen Kriegsverbrechen in Europa nach 1945. Ex-serbenführer Radovan Karadzic wurde 2008 an Den Haag ausgeliefert. 2016 wurde er unter anderem für den Völkermord von Srebrenica zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Der militärische Chef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, war 2011 gefasst worden. Gegen ihn verhängten die Richter vergangene Woche eine lebenslange Haftstrafe.