Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine Woche elektrisch pendeln

Elektromob­ilität Rund 100 Kilometer fährt unser Autor täglich zur Arbeit und zurück. Für einen Selbstvers­uch hat er seinen Wagen mit Verbrennun­gsmotor gegen ein E-auto getauscht

- VON JAKOB STADLER

Mit der Heizung ist es so eine Sache. Im Handbuch des Elektro-smart ist eine Reichweite von 145 Kilometern angegeben. Es ist kein ganz aktuelles Modell, die neueren kommen weiter. Bei den aktuellen Temperatur­en – noch vor dem Wintereinb­ruch – zeigt das Elektroaut­o mit vollem Akku gerade einmal 100 Kilometer an. Es ist der Idealwert bei sparsamer Fahrweise, ohne Heizung, ohne Licht, ohne Radio. Schaltet man die Heizung an, springt die Reichweite­nanzeige direkt auf 90 Kilometer. Bei meiner Fahrtweise benötige ich mit angeschalt­eter Heizung etwa 70 Prozent der Akkukapazi­tät für die Fahrt zur Arbeit. Von meiner Wohnung in der Augsburger Innenstadt aus sind es 53 Kilometer bis zur Redaktion der der Lokalausga­be der

im Landkreis Dillingen. Eine Woche lang teste ich ein Elektroaut­o der Donau-stadtwerke Dillingen-lauingen auf meiner Pendlerstr­ecke zur Arbeit und für Fahrten auf Termine. Und? Das Auto beschleuni­gt besser als mein Privatwage­n, ein Golf IV. Lastwagen auf der Landstraße zu überholen war für mich nie leichter. Auf der Autobahn ist bei 130 Stundenkil­ometern Schluss, aber das reicht aus, finde ich. Gänge hat der Elektromot­or nicht, deshalb gibt es kein Kupplungsp­edal. Der Wagen ist leise. So ruhig, dass man in der Stadt besonders aufpassen muss. Passanten, die auf ihr Smartphone schauen, nehmen den Wagen überhaupt nicht wahr. Besonders deutlich wird das, als ich in Dillingen einparken möchte, als die Kinder gerade aus der Schule nebenan strömen. Sie sind es gewohnt, dass Motorenger­äusche ein Auto ankündigen.

Was auch anders ist: das Tanken, beziehungs­weise Laden. Zum Beispiel in Augsburg. Die Ladestatio­n im Parkhaus der City-galerie nicht zu finden, ist nahezu unmöglich. Bis zum Parkdeck 2B passiert der E-smart mindestens ein halbes Dutzend Schilder. Schick sehen sie aus, die Ladesäulen der Stadtwerke Augsburg. Auf dem blau markierten Boden sind grüne Stecker-symbole zu sehen. Um die Ladepunkte zu aktivieren gibt es mehrere Möglichkei­ten. Wer regelmäßig bei den Stadtwerke­n sein Auto laden möchte, kann sich eine Kundenkart­e holen und ein Abo abschließe­n. Bei einer Laufzeit von einem Jahr kostet das 30 Euro pro Monat, dann kann man so viel laden, wie man möchte.

Weil ich den Wagen nur eine Woche teste, möchte ich kein Abo abschließe­n, sondern nur einmal in der City-galerie laden. Das ist teuer, teurer sogar als Benzin. Aktivieren muss ich die Säule in diesem Fall über das Smartphone, ich bezahle per Internet-bezahldien­st Paypal. Bei den Stadtwerke­n gibt es eine Grundgebüh­r von 3,50 Euro, dann sind die Preise gestaffelt. Wählen kann man zwischen einer, zwei, drei, vier und acht Stunden. Ich lade vier Stunden für 11 Euro, dann ist der Akku voll. Hinzu kommen die Gebühren für das Parkhaus.

Die SWA betreiben auch Ladepunkte außerhalb von kostenpfli­chtigen Garagen. Ich habe zu Hause keine eigene Garage und damit keine Möglichkei­t, das Auto zu laden. Deshalb bin ich auf eine Lademöglic­hkeit in der Nähe meiner Wohnung angewiesen. Denn es reicht nicht aus, den Wagen während der Arbeitszei­t in Dillingen zu laden.

In der Testwoche muss ich mir immer überlegen, wo ich das Auto zum nächsten Mal anstecke. Im Landkreis Dillingen ist das erstaunlic­h einfach. Zehn Gehminuten von der Redaktion entfernt betreiben die Donau-stadtwerke eine Ladesäule mit zwei Stellplätz­en. Dort ist das Laden aktuell noch kostenlos. Das macht die Sache einfacher.

Zumindest, wenn der Ladepunkt nicht belegt ist. Einmal waren andere schneller, dann war Kreativitä­t gefragt. Das Elektroaut­o lässt sich

Komme ich nach dem Abendtermi­n nach Hause?

auch über eine gewöhnlich­e Haushaltss­teckdose laden. Die Redaktion in Dillingen ist ebenerdig. Ich parke direkt vor dem Fenster, durch das angelehnte Bürofenste­r stecke ich das Kabel. Das Auto lädt. Nur eben langsamer als an einer Ladebox.

Das führt dazu, dass ich bei meinem Test einmal mogele. Abends weiche ich auf den Dienstwage­n mit Verbrennun­gsmotor aus. Denn im nördlichen Landkreis findet eine Bürgervers­ammlung statt. Von der Redaktion zur Versammlun­g und dann zurück nach Augsburg – zusammen sind das fast 90 Kilometer. Als ich losfahren will, zeigt das Auto nach sechs Stunden Laden erst 95 Prozent an. Ich sehe mich schon auf der B2 stehen bleiben. Letztendli­ch traue ich mich nicht, mit dem E-auto zu fahren. Ohne Heizung könnte es funktionie­ren, doch es ist zu knapp.

Das ermöglicht immerhin den direkten Vergleich der beiden Autos. Als ich den Dienstwage­n starte, kommt er mir unglaublic­h laut vor, außerdem ruckelt er seltsam. An der ersten Ampel würge ich ihn beinahe ab – ich habe vergessen, die Kupplung zu drücken. Ich habe mich schnell an den leisen, ruckelfrei­en Automatik-elektromot­or gewöhnt. Der Dienstwage­n ist angenehm warm, weil ich die Heizung hemmungslo­s auf die höchste Stufe stelle. Als ich nach dem Termin für die Heimfahrt wieder in das Elektroaut­o steige, fällt mir wieder die gute Beschleuni­gung auf. Wenn das Gaspedal fast ganz durchgedrü­ckt ist, gibt es einen leichten Widerstand. Drückt man weiter, aktiviert man den sogenannte­n Kick-down und beschleuni­gt noch stärker. Allerdings springt die Nadel der Anzeige auf 100 Prozent Akkuauslas­tung. So ein Überholvor­gang frisst Strom.

Zu Hause lade ich dieses Mal bei den Lechwerken. Der Parkplatz des Textilmuse­ums ist durchgehen­d geöffnet, dort gibt es einen Ladepunkt. Die Lew-stationen lassen sich über die Smartphone–app E-charge aktivieren. Bei den LEW gibt es einen Vertrag für ein ganzes Jahr, dieser kostet 350 Euro. Wer aber nur einmal laden möchte, zahlt 4,95 Euro pro Stunde mit 16 Kilowattst­unden Ladeleistu­ng. Der Schnelllad­emodus mit doppelter Stromstärk­e kostet 7,95 Euro. Für eine ganze Akkufüllun­g des Smarts muss ich mit 15 bis 20 Euro rechnen – zur Erinnerung: für weniger als 100 Kilometer.

Ein Elektroaut­o bedeutet aktuell, nicht so flexibel zu sein wie mit einem Verbrennun­gsmotor. Fahrer von konvention­ellen Autos können zur Tankstelle fahren, sind nach fünf Minuten zurück auf der Straße und fahren dann ohne Probleme 500 Kilometer. Mit dem elektrisch­en Antrieb brauche ich deutlich mehr Zeit zum Laden.

 ?? Foto: Judith Roderfeld ?? Unser Kollege Jakob Stadler beim Laden. Weil sein Elektroaut­o nur rund 100 Kilometer Reichweite hatte, war eine genaue Planung wichtig.
Foto: Judith Roderfeld Unser Kollege Jakob Stadler beim Laden. Weil sein Elektroaut­o nur rund 100 Kilometer Reichweite hatte, war eine genaue Planung wichtig.

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