Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Möbelhaus Angestellte bietet Millionen Deal an
Justiz Die Buchhalterin eines großen Möbelhändlers will wertvolle Geheiminformationen an den Konkurrenten Segmüller verkaufen. Doch die Friedberger Firma informiert die Kripo. Es folgt eine Geldübergabe wie im Krimi – und der Prozess
Augsburg In der Branche der Möbelhäuser herrscht ein beinharter Konkurrenzkampf. Platzhirsch ist wohl einer der größten Möbelhändler der Welt, die „Xxxlutz“-firmengruppe, die allein zwischen Nordsee und Alpen 37 Möbelhäuser betreibt. Als Hauptkonkurrent gilt die Firma Segmüller in Friedberg. Wäre der filmreife Coup gelungen, den eine Buchhalterin aus dem Raum Dortmund einfädeln wollte, wäre der Wettbewerb auf dem Möbelmarkt wohl gehörig aus den Fugen geraten. Für eine Million Euro wollte die 37-Jährige sämtliche Einkaufskonditionen der „Xxxl“-gruppe an die Konkurrenz verraten.
Doch die Firma Segmüller machte dabei nicht mit. Sie ging nur zum Schein auf das illegale Geschäft ein und informierte die Polizei. Als der Freund der Buchhalterin am 2. Februar an der Autobahnraststätte Augsburg-ost eine Tasche mit fünf Leitzordnern an einen vermeintlichen Mittelsmann des Friedberger Möbelhändlers übergeben wollte, griff die Kripo zu. Das Paar musste sich in dieser Woche wegen des Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vor dem Amtsgericht verantworten.
Die Buchhalterin war bei einem Möbelhaus in Westfalen angestellt, das für die ganze „Xxxl“-gruppe die Möbeleinkäufe abwickelt. Die 37-Jährige gehörte zu einem kleinen Kreis von Angestellten, der Zugriff auf die geheimen Daten zu Einkaufsquellen, Rabatten und Preisen und Lieferbedingungen hatte. Weil sie durch eine nebenbei betriebene Konditorei und einen Hauskauf rund 250 000 Euro Schulden hatte, kam sie auf die verhängnisvolle Idee, ihr Wissen zu Geld zu machen. Anfang des Jahres 2017 kopierte sie an ihrem Arbeitsplatz sämtliche Daten – der Inhalt von fünf Leitzordnern. In einem Telefonanruf am 25. Januar bot die Frau dann unter dem Falschnamen „Bücher“das Paket mit Geheim-informationen einem der Geschäftsführer des Friedberger Unternehmens an. Sie verlangte dafür eine Million Euro. Der Unternehmer informierte sofort die Polizei und die geschädigte Firma, ging aber zum Schein auf den Deal ein.
Einen Tag später übermittelte die Buchhalterin eine elfseitige „Kostprobe“. Nach mehreren weiteren Telefonaten wurde ein „Kaufpreis“von 250 000 Euro vereinbart, die Daten sollten an einen Mittelsmann übergeben werden. Am 2. Februar, 14 Uhr, traf sich im Schnellrestaurant an der Raststätte Augsburg-ost der 36-jährige Freund der Frau, der sich als „Pierre“ausgab, mit dem vermeintlichen Beauftragten der Firma Segmüller. Was „Pierre“nicht ahnte: Der Mittelsmann war ein Kripobeamter. Der zeigte ihm ein Kuvert mit 50 000 Euro. Danach gingen beide zu einem Auto, in dem sich eine große Tasche mit den fünf Ordnern befand. Bei der Übergabe griff die Kripo zu. „Pierre“und die 37-jährige Frau wurden festgenommen, sie saßen dann zwei Monate in Untersuchungshaft.
Welche Dimension der Verrat im Erfolgsfall gehabt hätte, verdeutlichte schon Staatsanwalt Baptist Michale beim Verlesen der Anklage: Der Konkurrent Segmüller hätte wohl zwei bis drei Millionen Euro einsparen können, hätte er die verratenen Daten genutzt. Der Staatsanwalt lobte deshalb ausdrücklich das „sehr redliche Verhalten“des Friedberger Unternehmens. Ein Geschäftsführer des vom Verrat betroffenen Möbelhauses sagte als Zeuge, die geheimen Daten seien wohl „ein paar Millionen“wert gewesen. „Im Wettbewerb wäre eine Lawine ausgelöst worden.“Einkaufskonditionen seien der wichtigste Baustein im Einzelhandel.
Die Buchhalterin, verteidigt von Anwalt Moritz Bode, wiederholte ihr bei der Kripo abgelegtes Geständnis. Der mitangeklagte Freund (Verteidiger: Heinz Schmitz) erklärte zunächst, er habe lediglich seiner Freundin helfen wollen, aber über Inhalt des Deals und die Geldforderungen nichts gewusst. Erst nach einer Pause räumte er ein, in den gesamten Plan eingebunden gewesen zu sein. Die Daten heruntergeladen habe aber seine Freundin.
In den Plädoyers waren sich alle Beteiligten einig, dass dieser Verrat „hochsensibler und sehr wertvoller Daten“, wie es Staatsanwalt Michale nannte, aufgrund der Geständnisse noch mit Bewährungsstrafen zu sühnen ist. Das Gericht schloss sich dieser Meinung an: Die Frau wurde zu 22 Monaten, der Freund zu 14 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt. Beide müssen als Auflage 160 beziehungsweise 140 Sozialstunden ableisten. Der Schuldspruch wurde noch im Gerichtssaal rechtskräftig. Der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wird laut Gesetz mit Geld- oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren bestraft.