Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Keine generellen Aussagen
Zu „Jeder fünfte Viertklässler kann nicht richtig lesen“(Seite 1) vom 6. Dezem ber: Käme jemand auf die Idee, aus ein paar dutzend deutscher Weingüter Gewächse eines Jahrgangs und meinetwegen rot oder weiß nach dem Zufallsprinzip auszusuchen und nach deren Verkostung eine generelle Aussage zu Alkoholgehalt, Säure, Restsüße, Aromen etc. zu treffen und das Ergebnis dann mit anderen Ländern aus Europa und Übersee in eine Reihe zu stellen, würde er wohl zu Recht für verrückt erklärt. Den Verantwortlichen der Iglu-studie wird jedoch andächtig gelauscht, obwohl sie ähnlich vorgehen. In Deutschland wurden ca. 4300 Grundschüler in 190 Schulen aus allen 16 Ländern getestet. Mag diese nach dem Zufallsprinzip gezogene Stichprobe noch als repräsentativ gelten, so ist der nächste Schritt, daraus pauschale Aussagen über die Lesefähigkeiten deutscher Kinder zu treffen, wissenschaftlich verantwortungslos.
In einem Staat mit föderaler Kulturhoheit können nicht generelle Aussagen über alle Länder hinweg getroffen werden. Aus innerdeutschen Vergleichen der letzten Jahre in anderen Jahrgangsstufen und Fächern ging hervor, dass zwischen den Leistungen von Schülern z. B. aus Bremen und aus Bayern erhebliche Differenzen bestehen, die zum Teil zwei Schuljahre ausmachen. Die Iglu-studie 2016 sagt nichts aus über die Zustände in jeweils einem Bundesland. In dem einen Land der Bundesrepublik können die Zustände durchaus noch desolater, in dem anderen jedoch erfreulicher sein. Hubert Lepperdinger, Kempten