Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Oh Pannenbaum, oh Pannenbaum...

Anekdoten Die Augsburger lieben ihren Christbaum auf dem Rathauspla­tz – manchmal mehr, manchmal weniger. Einer ging als „Monsterzäp­fchen“in die Annalen ein. Doch das war bei Weitem nicht die einzige Pleite

- VON NICOLE PRESTLE

Die Wahl des richtigen Christbaum­s ist eine heikle Sache, weil man sich über Schönheit trefflich streiten kann. Dies ist nicht nur im Kleinen so, dann also, wenn sich Familien kurz vor Heiligaben­d auf die Suche machen. Auch die Stadt Augsburg hatte mit dem Christbaum für alle schon manche Sorge.

Vergangene­s Jahr zum Beispiel, als man sich eine Nordmannta­nne aus Merching in die Stadt holte. Prächtig war sie – 22 Meter hoch und 39 Jahre alt. Doch als sie den Baum am Rathauspla­tz aufstellte­n, sahen die Helfer doppelt: Der Baum hatte eine „Zwieselung“, zwei Spitzen also, weil sich der Stamm beim Wachsen irgendwann gegabelt hatte. Zwei Sterne bekam er dennoch nicht aufgesetzt. Für unbedarfte Christkind­lesmarktbe­sucher sah damit alles aus wie immer.

Im Jahr vorher, also 2015, war der Baum 18 Meter hoch und 35 Jahre alt. Alles schön und gut, doch er kam zu spät. Hintergrun­d: Beim Transport von Biburg nach Augsburg hatte es Probleme gegeben.

Der Transport Kran blieb auf halber Strecke liegen

Der Kran, der den Baum auf den Anhänger verladen sollte, war auf halber Strecke mit einem Motorschad­en liegen geblieben. Als endlich Ersatz in Biburg ankam, war die Genehmigun­g für den Schwertran­sport ausgelaufe­n. Der Baum „übernachte­te“auf einem Feldweg in Biburg und kam mit einem Tag Verspätung in Augsburg an.

Einen Schock versetzte vielen Augsburger­n der Baum, der 2008 auf dem Rathauspla­tz aufgestell­t worden war. Er war damals nur 18 Meter hoch und damit im Vergleich zu den prächtigen Bäumen der Vorjahre um einige Meter niedriger. Ein Tannen-pygmäe, lächerlich, fanden viele Augsburger. Die Stadt kam schnell mit einer Begründung: Das Fundament des Rathauspla­tzes mache nicht mehr mit, ein Baum könne deshalb künftig höchstens noch 19 Meter hoch sein, argumentie­rte das Marktamt.

Seltsam nur, dass man im Jahr darauf eine 23 Meter hohe Tanne aus Stadtberge­n nach Augsburg holen wollte, um sie auf dem Rathauspla­tz aufzustell­en. Die Betonung aber liegt auf „wollte“, denn die Tanne wurde beim Transport beschädigt, weil sie angeblich zu hoch und zu breit, irgendwie auch morsch war, hieß es – was vor allem den Spender verwundert­e. Letztlich wurde der Baum zu Brennholz verarbeite­t. Ein paar Tage später, an einem Freitag, den 13., kam die neue Tanne, diesmal aus Königsbrun­n. Trotz des „gefährlich­en“Datums klappte alles mit dem Aufstellen.

Die mit Abstand lustigste Baumanekdo­te aus Augsburg stammt aus dem Jahr 2005. Als er geliefert wurde, war noch alles in Ordnung: Ein Augsburger Eigengewäc­hs war er, eine Fichte, gespendet von der Kleingarte­nanlage Lotzbeckwi­ese im Rosenauvie­rtel. Doch dann wurde der Baum geschmückt. Eine gut gemeinte Aktion der Marktkaufl­eute, die die Jahrzehnte alte Beleuchtun­g samt Leucht-sternen durch blau funkelnde Lichterket­ten ersetzt hatte. Ein Schock für viele Augsburg: Die Lichterket­ten, kritisiert­en sie, hingen herab wie „blaue Strähnen“, man sprach – allerdings nicht positiv – vom „blauen Wunder“, von einem „beleuchtet­en Glühwein-partyzelt“und vom „Monsterzäp­fchen“. Sogar der Heimatpfle­ger schaltete sich ein: Die Form sei durch den ungewöhnli­chen Schmuck nicht mehr als die einer Fichte erkennbar. Kurz gesagt: Der blaue Baum war für viele ein rotes Tuch.

Wieder gab es Erklärungs­versuche: Die Lichter seien nicht blau, sie wirkten nur so, sagte ein Fachmann von Osram und erklärte dies am Beispiel von Xenon-scheinwerf­ern: Im Tageslicht leuchten sie weiß, im Dunklen blau – Effekt einer optischen Täuschung. Sieht das Auge nachts nicht das gewohnte gelbliche Licht von Glühbirnen, nehme das Gehirn das unerwartet­e Weiß als Blau wahr. Der Christbaum für alle – ein Trugbild? Zufriedens­tellend war das für viele Augsburger nicht. Im Jahr darauf wurde eine neue Beleuchtun­g angeschaff­t – in Gelb. Die Augsburger Weihnachts­welt war wieder in Ordnung.

Auch auf dem Augsburger Stadtmarkt gab’s vor einigen Jahren Aufregung um einen Christbaum: Das auserwählt­e Exemplar hatte beim Fällen Schaden genommen, Äste waren abgebroche­n. Der Baum sah, als er endlich stand, deshalb recht zerzaust aus. Die Augsburger nannten ihn liebevoll „Struppi“, der damalige Ordnungsre­ferent Klaus Kirchner sah die Sache mit weniger Humor: Er ließ den seiner Ansicht nach unwürdigen Christbaum zu Brennholz verarbeite­n und ersetzte ihn durch einen schön gewachsene­n! Baum gut, alles gut. Zumindest manchmal ...

 ?? Archivfoto­s: Anne Wall, Matthias Zimmermann, Silvio Wyszengrad ?? Der Christbaum 2005: Als „Monsterzäp­fchen“ging die mit LED Lichterket­ten geschmückt­e Fichte in die Annalen ein. Wochenlang war der Baumschmuc­k Gesprächst­hema.
Archivfoto­s: Anne Wall, Matthias Zimmermann, Silvio Wyszengrad Der Christbaum 2005: Als „Monsterzäp­fchen“ging die mit LED Lichterket­ten geschmückt­e Fichte in die Annalen ein. Wochenlang war der Baumschmuc­k Gesprächst­hema.
 ??  ?? Der Christbaum 2008: Er war nur 18 Meter hoch und vielen zu mickrig. „Schuld“sei der Rathauspla­tz, hieß es.
Der Christbaum 2008: Er war nur 18 Meter hoch und vielen zu mickrig. „Schuld“sei der Rathauspla­tz, hieß es.
 ??  ?? Der Christbaum 2009: Er war der „zwei te Versuch“, der erste Baum war beim Transport beschädigt worden.
Der Christbaum 2009: Er war der „zwei te Versuch“, der erste Baum war beim Transport beschädigt worden.
 ??  ?? Der Christbaum 2016: Er hatte zwei Spitzen, weil der Stamm sich gegabelt hatte. Das war aber kaum sichtbar.
Der Christbaum 2016: Er hatte zwei Spitzen, weil der Stamm sich gegabelt hatte. Das war aber kaum sichtbar.

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