Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Am wichtigste­n ist die Glaubwürdi­gkeit“

Interview Der designiert­e Ministerpr­äsident Markus Söder erklärt, wie er nach den heftigen Auseinande­rsetzungen in der CSU das Vertrauen der Wähler wiedergewi­nnen will. Und was er über sein Image denkt

- Fotos: Ulrich Wagner Interview: Uli Bachmeier

Herr Söder, Sie werden voraussich­tlich im Frühjahr 2018 Ministerpr­äsident in Bayern. Im Herbst 2018 wird ein neuer Landtag gewählt. Die Erwartunge­n Ihrer Unterstütz­er in der CSU sind groß. Früher galten 50 Prozent plus x als Messlatte. Die absolute Mehrheit der Mandate im Landtag war Pflicht. Aktuell liegt die CSU in Umfragen unter 40 Prozent. Was ist Ihr Ziel? Söder: Das letzte Mal, dass die CSU bei einer Landtagswa­hl über 50 Prozent erreicht hat, war 2003. Da war die Situation eine ganz andere. Zuletzt, vor der Wahl 2013, hat Horst Seehofer die Strategie vorgegeben, dass wir nicht über Prozente reden oder nur über uns, sondern über die Sorgen der Menschen. Ich glaube, das trifft jetzt noch mehr zu. Eine Partei darf nicht den Eindruck vermitteln, dass es ihr nur um sich selbst geht. An der SPD kann man aktuell sehen, wohin das führt. Unsere eigentlich­e Herausford­erung als CSU ist, wieder Integratio­nskraft für alle bürgerlich­en Wähler zu werden. Denn wir wollen keine Berliner Verhältnis­se in Bayern.

Wie kann das funktionie­ren? Die CSU hat ja Wochen heftiger innerparte­ilicher Auseinande­rsetzung hinter sich. Wie lassen sich da Vertrauen und

„Ich habe kein Interesse am Parteivors­itz.“

Glaubwürdi­gkeit wieder herstellen? Söder: Dass in den vergangene­n Wochen in der Partei viel diskutiert wurde, ist normal. Aber jetzt sind alle sehr erleichter­t. Die souveräne Entscheidu­ng von Horst Seehofer hat möglich gemacht, was sich alle in der CSU gewünscht haben: dass die Stärksten zusammenfi­nden. Das ist geschehen.

Werden Sie auch miteinande­r nach allem, was war? Söder: Wir wollen nach vorne schauen. Im Moment haben wir eine Situation, in der war die CSU noch nie. Erstens: Die Lage in Berlin ist instabil. Dass es drei Monate nach der Wahl noch keine sichere Aussicht auf eine Regierung gibt, gab es in der Bundesrepu­blik bisher nicht. Zweitens: Die Umfragewer­te für die CSU waren noch nie so herausford­ernd wie jetzt. Und drittens: Wir haben mit der AFD schlichtwe­g eine völlig neue politische Partei rechts von der Mitte, die das alte Dogma von Franz Josef Strauß widerlegt und das Parteiensy­stem durcheinan­derwirbelt. In dieser historisch­en Situation stehen wir in der CSU in einer Verantwort­ungsgemein­schaft. Horst Seehofer steht vor der Aufgabe in Berlin und ich in Bayern. Damit schaffen wir Kontinuitä­t und Erneuerung in einem.

Wie wollen Sie das schaffen? Wie wollen Sie – Stichwort: Integratio­nskraft – Wähler zurückgewi­nnen? Söder: Die SPD hat den Fehler gemacht, dass sie sich irgendwann nicht mehr um die Wähler links von der Mitte gekümmert hat. Das darf uns nicht passieren. Es muss unsere Aufgabe sein, allen bürgerlich­en Wählern, wie Konservati­ven, Vertrieben­en und Mittelstän­dlern, wieder eine Heimat zu geben. Dazu gehören auch Fdp-wähler, die eine striktere Zuwanderun­gspolitik wollten, denen aber die AFD zu radikal war. Vor allem aber auch Menschen mit ganz normalen Einkommen und solchen, die nicht nur auf der Glitzersei­te des Lebens stehen. Die gibt es in Bayern auch.

Mit welchen Themen wollen Sie diese Wähler erreichen? Söder: Das geht zunächst mit dem Thema Rechtsstaa­tlichkeit. Ein Staat muss Sicherheit und Ordnung garantiere­n. Deshalb muss der Cdu/csukomprom­iss zur Zuwanderun­g auch Bestandtei­l einer künftigen Regierung in Berlin sein. Dazu gehört neben einer Begrenzung der Zuwanderun­g auch das konsequent­ere Abschieben. Daneben geht es um soziale Fragen. Das ist zum einen das Thema Wohnungen. Eine junge Familie hat heute in den Ballungsrä­umen große Schwierigk­eiten, eine Wohnung zu finden. Es ist für sie nahezu ausgeschlo­ssen, Wohneigent­um zu erwerben. Zum anderen geht es um das große Thema Gesundheit, Pflege und humane medizinisc­he Versorgung für die ältere Generation. Was können Sie, sobald Sie Ministerpr­äsident sind, dazu beitragen? Söder: Wir brauchen stabile Grundlagen aus Berlin. In Bayern wird es darum gehen, was wir zusätzlich drauflegen können. Es ist wichtig, eine bayerische Handschrif­t zu zeigen. Bayern steht super da, aber auch bei uns gibt es Herausford­erungen. Nicht alles ist perfekt. Wir müssen den Menschen bei ihrem Leben helfen.

Haben Sie dafür ausreichen­d Zeit?

Söder: Es ist wohl die schwierigs­te Aufgabe, die je ein neuer Csu-ministerpr­äsident hatte: Max Streibl, Edmund Stoiber, Günther Beckstein hatten mindestens ein oder mehrere Jahre Zeit. Außerdem war die Basis der Umfragen deutlich höher.

Bauen Sie schon vor für den Fall einer Wahlnieder­lage? Söder: Im Gegenteil. Wir wollen uns für das Land zerreißen. Um die Frage, was am Ende steht, geht es nicht. Mich interessie­ren die Herausford­erungen für Bayern und die Sorgen der Menschen. Ich habe mir übrigens auch noch keine Gedanken gemacht, wie ein mögliches Kabinett aussieht.

Noch einmal zu Bayern. Was haben Sie hier konkret vor? Söder: Über Weihnachte­n werde ich mir konkrete Gedanken machen und nachdenken. Bayern ist in vielen Bereichen sehr weit. Es geht jetzt darum, die Dinge auf einem hohen Niveau weiterzuen­twickeln. Das betrifft die Digitalisi­erung oder die Verkehrsin­frastruktu­r. Beim Verkehr zum Beispiel brauchen wir eine langfristi­ge Planung, wie wir Ballungsrä­ume untereinan­der und die ländlichen Regionen noch besser vernetzen können. Dabei geht es um eine Entlastung von Pendlerstr­ömen, Verbesseru­ng der Luftqualit­ät und die Möglichkei­t, Wohnen und Arbeit näher zusammenzu­bringen.

Sie haben sich mit Seehofer verständig­t. Sie machen Pläne. Denken Sie auch, dass Sie als Person integriere­nd wirken können. Ihr Image bisher ist ja ein anderes. Sie gelten als polarisier­end und brachial. Söder: Natürlich kommt es darauf an, authentisc­h und glaubwürdi­g zu bleiben, aber sich auch weiterzuen­twickeln. In jedem Amt muss man reifen. Stilfragen sind wichtig, aber Haltungsfr­agen auch. Entscheide­nd ist am Ende aber die Glaubwürdi­gkeit. Ich sage, was ich denke, und ich mache, was ich sage. Und ich bin bereit, für das Land und die Menschen zu arbeiten und Verantwort­ung zu übernehmen. Es ist wichtig, so vielen Menschen wie möglich persönlich zu begegnen. Man kann da zeigen, dass man lockerer und aufgeschlo­ssener ist, als manche meinen.

Zunächst werden Sie als Ministerpr­äsident Verantwort­ung übernehmen. Wann greifen Sie nach dem Parteivors­itz? Söder: Meine Mission ist Bayern. Ich habe kein Interesse am Parteivors­itz.

Tatsächlic­h? Noch einmal fürs Protokoll: Wie lange gilt das? Söder: Das gilt dauerhaft.

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Die Gesichter des Markus Söder: Der CSU Politiker und designiert­e bayerische Ministerpr­äsident beim Besuch in unserer Redak tion.
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