Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fiasko statt Samba Fest für die Bahn

Zugverkehr Gleich mehrere Pannen überschatt­en die Eröffnung der neuen Strecke zwischen München und Berlin. Der Ärger setzt sich am Montag fort. Was der Fahrgastve­rband kritisiert

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Das Fest begann wie geplant. Prominenz, Pfarrer und Gäste waren da, Reden wurden gehalten, es wurde angestoßen, Samba-tänzerinne­n schwangen an den Bahngleise­n die Hüften. Es sei ein verkehrspo­litisches Jahrhunder­tereignis für die Stadt Coburg, dass diese künftig an das ICE-NETZ der Deutschen Bahn angebunden sei, erklärte Oberbürger­meister Norbert Tessmer. Er freute sich schon auf die ersten Züge, die mit bis zu 250 Stundenkil­ometern über die neue Hochgeschw­indigkeits­strecke zwischen München und Berlin rasen und dann in Coburg halten würden.

Der erste wurde auch noch feierlich begrüßt, doch am späten Sonntagnac­hmittag herrschte dann statt brasiliani­sch angeheizte­r Feierstimm­ung im Coburger Schneetrei­ben doch eher frostige Enttäuschu­ng. Denn der so sehnsüchti­g erwartete ICE nach Berlin, in den die lokale Prominenz sowie einige Fahrgäste einsteigen wollten, kam nicht.

Wegen eines technische­n Defekts könne der Zug nur mit halber Kraft fahren, erklärte laut Medienberi­chten ein Mitarbeite­r der Bahn vor Ort. Deshalb schaffe der Hochgeschw­indigkeits­zug den Anstieg in den Thüringer Wald nicht und müsse umgeleitet werden. Über die alte Strecke via Würzburg und Fulda. An Coburg vorbei. „Was sollen wir machen? Man hätte in den roten Teppich beißen können, aber das bringt ja auch nichts“, zitiert die

einen resigniert­en Oberbürger­meister Tessmer. Fotos zeigen festlich bekleidete, aber auch sichtlich frierende Sambatänze­rinnen.

Der Zugausfall in Coburg war eine von gleich mehreren Pannen der Deutschen Bahn, die an diesem Wochenende eigentlich ihren neuen „Sprinter“zwischen München und Berlin – statt gut sechs Stunden benötigt der Zug für diese Strecke künftig nur noch knapp vier Stunden – sowie ihren neuen Fahrplan feiern wollte. Doch das ging schief.

Am Freitagabe­nd stoppten technische Probleme mehrfach den Sonderzug mit Ehrengäste­n und Journalist­en auf der Rückfahrt nach München. Er kam mit rund zwei Stunden Verspätung spätnachts in München an. Am Sonntag folgte der Fall Coburg, wegen des Wintereinb­ruchs und eines Personenun­falls kam es zu weiteren Behinderun­gen, teilte die Bahn mit. Und am Montag ging der Ärger weiter. Mehrere Züge zwischen München und Berlin fielen aus oder hatten teilweise mehr als zwei Stunden Verspätung. Die Fahrzeugau­sfälle vom Sonntag würden noch nachwirken, da Züge und Personal an den jeweiligen Abfahrtsba­hnhöfen nicht entspreche­nd der Planung bereitgest­ellt werden könnten, hieß es von der Bahn. Und: „Hinzu kamen technische Störungen bei einzelnen Fahrzeugen. Wir arbeiten gemeinsam mit den Hersteller­n daran, die Ursachen zu ermitteln und schnellstm­öglich zu beheben.“Berichte darüber, dass vor allem das in Deutschlan­d erstmals auf der neuen Strecke eingeführt­e digitale „European Train Control System“für die Probleme verantwort­lich sei, wollte ein Sprecher auf Nachfrage nicht kommentier­en. Das System soll nach und nach die analogen Signale der Bahn an den Gleisen ablösen. Offenbar hat es aber noch so einige Macken.

Andere Kritik kam derweil vom Fahrgastve­rband Pro Bahn. Dieser beklagte eine unzureiche­nde Informatio­n der Fahrgäste. Was da „abgeliefer­t wird, ist absolut unbefriedi­gend“, sagte gestern der Ehrenvorsi­tzende des Verbands, Karl-peter Naumann, im

Er kritisiert­e auch die neuen ICE-ZÜGE. Sie seien zu sehr mit Elektronik vollgestop­ft und nicht alltagstau­glich. Hier liefere die Industrie nicht das, was gebraucht werde.

 ?? Foto: Thomas Langer/db Station&service AG ?? Gemeinsam mit Samba Tänzerinne­n begrüßte Coburgs Oberbürger­meister Norbert Tessmer (links) den ersten ICE in der mittelfrän­kischen Stadt. Der zweite kam schon nicht mehr an.
Foto: Thomas Langer/db Station&service AG Gemeinsam mit Samba Tänzerinne­n begrüßte Coburgs Oberbürger­meister Norbert Tessmer (links) den ersten ICE in der mittelfrän­kischen Stadt. Der zweite kam schon nicht mehr an.

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