Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Fiasko statt Samba Fest für die Bahn
Zugverkehr Gleich mehrere Pannen überschatten die Eröffnung der neuen Strecke zwischen München und Berlin. Der Ärger setzt sich am Montag fort. Was der Fahrgastverband kritisiert
Augsburg Das Fest begann wie geplant. Prominenz, Pfarrer und Gäste waren da, Reden wurden gehalten, es wurde angestoßen, Samba-tänzerinnen schwangen an den Bahngleisen die Hüften. Es sei ein verkehrspolitisches Jahrhundertereignis für die Stadt Coburg, dass diese künftig an das ICE-NETZ der Deutschen Bahn angebunden sei, erklärte Oberbürgermeister Norbert Tessmer. Er freute sich schon auf die ersten Züge, die mit bis zu 250 Stundenkilometern über die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen München und Berlin rasen und dann in Coburg halten würden.
Der erste wurde auch noch feierlich begrüßt, doch am späten Sonntagnachmittag herrschte dann statt brasilianisch angeheizter Feierstimmung im Coburger Schneetreiben doch eher frostige Enttäuschung. Denn der so sehnsüchtig erwartete ICE nach Berlin, in den die lokale Prominenz sowie einige Fahrgäste einsteigen wollten, kam nicht.
Wegen eines technischen Defekts könne der Zug nur mit halber Kraft fahren, erklärte laut Medienberichten ein Mitarbeiter der Bahn vor Ort. Deshalb schaffe der Hochgeschwindigkeitszug den Anstieg in den Thüringer Wald nicht und müsse umgeleitet werden. Über die alte Strecke via Würzburg und Fulda. An Coburg vorbei. „Was sollen wir machen? Man hätte in den roten Teppich beißen können, aber das bringt ja auch nichts“, zitiert die
einen resignierten Oberbürgermeister Tessmer. Fotos zeigen festlich bekleidete, aber auch sichtlich frierende Sambatänzerinnen.
Der Zugausfall in Coburg war eine von gleich mehreren Pannen der Deutschen Bahn, die an diesem Wochenende eigentlich ihren neuen „Sprinter“zwischen München und Berlin – statt gut sechs Stunden benötigt der Zug für diese Strecke künftig nur noch knapp vier Stunden – sowie ihren neuen Fahrplan feiern wollte. Doch das ging schief.
Am Freitagabend stoppten technische Probleme mehrfach den Sonderzug mit Ehrengästen und Journalisten auf der Rückfahrt nach München. Er kam mit rund zwei Stunden Verspätung spätnachts in München an. Am Sonntag folgte der Fall Coburg, wegen des Wintereinbruchs und eines Personenunfalls kam es zu weiteren Behinderungen, teilte die Bahn mit. Und am Montag ging der Ärger weiter. Mehrere Züge zwischen München und Berlin fielen aus oder hatten teilweise mehr als zwei Stunden Verspätung. Die Fahrzeugausfälle vom Sonntag würden noch nachwirken, da Züge und Personal an den jeweiligen Abfahrtsbahnhöfen nicht entsprechend der Planung bereitgestellt werden könnten, hieß es von der Bahn. Und: „Hinzu kamen technische Störungen bei einzelnen Fahrzeugen. Wir arbeiten gemeinsam mit den Herstellern daran, die Ursachen zu ermitteln und schnellstmöglich zu beheben.“Berichte darüber, dass vor allem das in Deutschland erstmals auf der neuen Strecke eingeführte digitale „European Train Control System“für die Probleme verantwortlich sei, wollte ein Sprecher auf Nachfrage nicht kommentieren. Das System soll nach und nach die analogen Signale der Bahn an den Gleisen ablösen. Offenbar hat es aber noch so einige Macken.
Andere Kritik kam derweil vom Fahrgastverband Pro Bahn. Dieser beklagte eine unzureichende Information der Fahrgäste. Was da „abgeliefert wird, ist absolut unbefriedigend“, sagte gestern der Ehrenvorsitzende des Verbands, Karl-peter Naumann, im
Er kritisierte auch die neuen ICE-ZÜGE. Sie seien zu sehr mit Elektronik vollgestopft und nicht alltagstauglich. Hier liefere die Industrie nicht das, was gebraucht werde.