Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn der Chef beim Lohn schummelt
Gastronomie Auf der Suche nach Schwarzarbeit untersuchte der Zoll zuletzt in Augsburg zahlreiche Hotels und Restaurants. Wie Gewerkschaft und Gaststättenverband die Lage einschätzen
Er beutete seine Mitarbeiter mit ziemlicher Gnadenlosigkeit aus. Der Gastronom, der vor einigen Jahren in Augsburg angeklagt war, hatte unter anderem einen Koch sieben Tage lang 15 Stunden am Tag durcharbeiten lassen und dem Mann dafür 650 Euro netto im Monat gezahlt. Er hatte einer behinderten Frau einen Stundenlohn von drei Euro gezahlt. Er hatte rund 30 Mitarbeiter als Scheinselbstständige beschäftigt und Sozialabgaben in Höhe von 60000 Euro hinterzogen; er erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.
So schlimm die Zustände in den Restaurants des Mannes waren: Sie stellten in der Region einen Ausnahmefall dar und sind in der Branche sicher nicht die Regel. Vergleichbar drastische Fälle aus Augsburg und Umgebung wurden seither nicht mehr bekannt. Was nicht heißt, dass die hiesigen Gerichte sich nicht ab und an mit Gastronomen beschäftigen, die bei der Bezahlung ihrer Mitarbeiter eine gewisse Kreativität walten lassen. Erst vor einigen Wochen wurde am Amtsgericht ein Augsburger Gastronom verurteilt, der in 61 Fällen für seine Mitarbeiter weniger Beiträge zur Sozialversicherung zahlte, als er hätte müssen. Er soll weniger Arbeitsstunden zugrunde gelegt haben, als die Mitarbeiter tatsächlich leisteten. Der Gastronom erhielt eine geringe Geldstrafe von 3500 Euro, wegen „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“, wie es im Gesetz heißt.
Abseits des Gesetzes spricht man von Schwarzarbeit. Es gibt Branchen, die im Ruf stehen, dass sie dort in besonderem Maße verbreitet ist: etwa Haushaltshilfen, laut eines Berichts der Bundesregierung von 2016 aber auch unter anderem im Baugewerbe und in der Gastronomie. Zurecht? Der Augsburger Zoll, zuständig für die Bekämpfung von Schwarzarbeit in der Region, hat die Gastro-branche im Blick. Im Juli führte er eine „lokale Schwer- punktprüfung“durch, mit besonderem Augenmerk auf Saisonbetriebe. Und im November überprüfte der Zoll im Rahmen einer bundesweiten Aktion 44 Gastronomie-betriebe in Augsburg. Dabei, heißt es vom Zoll, seien „14 Sachverhalte festgestellt worden, die Ermittlungen erforderlich machen“. Wenn Ermittlungen weiter fortschreiten, kann es vorkommen, dass der Zoll Bußgelder verhängt oder sogar ein Strafverfahren eingeleitet wird. Die Zahlen für den gesamten Bereich des Augsburger Hauptzollamtes, der freilich weit über die Stadt hinausreicht: 175 verhängte Bußgelder im Jahr 2016, dazu 246 eingeleitete Strafverfahren. Der Schaden durch Schwarzarbeit im Gaststätten- und Beherber- gungsgewerbe im Bereich des Hauptzollamtes liegt nach Auskunft des Zolls bei über einer Million Euro. Das sei eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr.
Die Ermittler der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls erhöhen offenbar den Druck. Nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-genuss-gaststätten, kurz NGG, prüften die Augsburger Zollbeamten laut Statistik im ersten Halbjahr 2017 insgesamt 158 Hotels, Gaststätten und Restaurants – das seien 58 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Tim Lubecki, Ngg-geschäftsführer in Schwaben, sagt, Schwarzarbeit sei in der Branche nach seiner Einschätzung durchaus noch ein Problem, auch in Augsburg. Es komme vor, dass sich Angestellte bei der Gewerkschaft meldeten und sagten, sie bekämen einen Teil des Lohns nicht, ihnen werde weniger ausbezahlt, als ihnen nach tatsächlicher Arbeitszeit zustehe. Häufig werde dann vor den Arbeitsgerichten zwischen den Parteien gestritten; dass es zu einem Strafverfahren und einem Prozess vor Amts- oder Landgerichten komme, sei sehr selten der Fall. Die Einführung des Mindestlohnes sei eine Verbesserung gewesen, bei der Kontrolle hapere es.
Das sieht man in der Gastronomie durchaus anders. Es gebe seiner Einschätzung nach schon eine engmaschige Überprüfung der Branche durch den Zoll, sagt Leo Dietz, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes in Augsburg. Klar sei, dass es schwarze Schafe gebe, sagt Dietz. Diese seien aber nicht repräsentativ. Ein grundsätzliches Problem im Gastronomiegewerbe, was das Thema Schwarzarbeit angeht, sieht Dietz nicht. Ihn ärgere ohnehin, dass die Branche oft einen etwas anrüchigen Ruf habe, gerade im Bereich des Nachtlebens. Gastronomie sei oft harte Arbeit. Die Leistung dahinter, sagt Dietz, werde nicht immer anerkannt. Die Kontrollmechanismen würden ohnehin stetig besser werden, sagt Dietz, und das sei auch gut so. Die schwarzen Schafe schadeten schließlich der ganzen Branche, auch den Ehrlichen. »Kommentar