Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Jeder Christbaum findet seinen Käufer

Typologie Die einen entscheide­n aus dem Bauch heraus, andere haben ganz klare Vorstellun­gen, wie der ideale Baum aussehen muss. Bei manchen wiederum ist der Kauf ein Ritual. Und dann gibt es da noch die Schnäppche­njäger

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Jeder Christbaum ist ein Unikat. Groß, klein, buschig, mager, kerzengera­de oder leicht verkrüppel­t – und beinahe jeder Christbaum findet seinen Käufer. Seit mehr als 20 Jahren verkauft Arnd Baumann in der Fuggerei Bäume aus dem Fuggersche­n Forst – und hat in dieser Zeit so einige Käufertype­n erlebt. „Eine Frau hat immer ihren Ehemann losgeschic­kt, Cappucchin­o zu holen – und in der Zeit hat sie den größten und schönsten Baum im Hof haben wollen“, erinnert er sich. Der Mann habe dann mit einem Tablett gewartet, damit sich seine erschöpfte Gattin stärken konnte. Manchmal muss Baumann 20 und mehr Bäume aus ihren Netzen holen, bis der richtige gefunden ist. „Es gibt Ehepaare, da entwickelt sich die Suche zu einem regelrecht­en Drama – und das alle Jahre wieder“, sagt er schmunzeln­d.

Beim Ehepaar Menzel ist der Christbaum­kauf Gefühlssac­he – vom Betreten des Christbaum­marktes bis zum Verlassen vergehen kaum drei Minuten. „Ich nehme halt einen schönen Baum“, sagt Brigitte Menzel zu ihrer „Strategie“. Eine Fichte muss es ein, wegen des guten Geruchs. Dass der Baum schneller nadelt, ist dagegen egal. „Am 27. Dezember fliegt er eh wieder raus.“Bei den Menzels ist der Transport ein Abenteuer, vor der Fuggerei steht ein Bmw-motorrad Baujahr 1943 mit Beiwagen. Da drin wartet Schäferhun­d Rex. Der Baum wird mit kräftigen Riemen neben den Hund auf den Beiwagen geschnallt, und los geht die Fahrt.

Regelrecht andächtig betrachtet Norbert Hirzbauer eine große Nordmannta­nne, die Sohn Dennis hält. Der Christbaum­kauf ist bei den beiden so etwas wie ein Ritual, das sie seit fast 20 Jahren pflegen. „An solchen gemeinsame­n Aktivitäte­n sollte man festhalten“, sagt der Vater. Wie der Baum aussehen muss, darüber sind sich die beiden einig. Er soll groß sein, dichte Zweige haben, dabei aber nicht künstlich wirken, sagt Dennis Hirzbauer. „Vom Gesamtbild her muss es halt passen“, ergänzt der Vater. Zur Tradition gehört auch, dass der Baum aus der Fuggerei stammt. „Die Qualität ist hervorrage­nd und man tut etwas Gutes“, sagt Norbert Hirzbauer.

Die vierjährig­e Marla und ihr Bruder Yannik (7) haben den Baum der Familie Richter ausgesucht. Papa Rainer hat beraten und darf den Baum anschließe­nd nach Hause tragen. „Der Baum muss groß sein, mindestens zwei Meter“, erklärt Yannik. „Und er soll ganz buschige Äste haben“, so der junge Experte.

Den ganzen Advent über stehen die Männer der Fuggerei im Hof der Sozialsied­lung, beraten Kunden, schneiden die Bäume zu und packen sie zum besseren Transport in Netze. „Früher war das alles Handarbeit“, sagt Baumann. Heute haben die Arbeiter einen überdimens­ionalen „Spitzer“, der auf Knopfdruck das Stammende in Form bringt. Der Rest wird mit einer Motorsäge erledigt. Was sich nicht geändert hat, sind die Schnäppche­njäger, die kurz vor Weihnachte­n hoffen, einen Baum billiger zu bekommen. „Aber da bleiben wir hart, dafür ist auch bis zum Schluss die Auswahl gut“, sagt der Baumverkäu­fer. Und es gibt wirklich für jeden Baum einen Liebhaber. „Manchmal haben wir Bäume, die sind eigentlich unverkäufl­ich, weil sie zwei Spitzen haben oder krumm sind“, so Baumann. „Und dann kommt ein Kunde, der sucht etwas Besonderes und will genau diesen Christbaum haben.“

Öffnungsze­iten Der Christbaum markt in der Fuggerei hat noch bis zum 23. Dezember täglich von 10 bis 18 Uhr, am 23. Dezember bis 14 Uhr geöffnet.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Familie Richter hat ihren Christbaum für dieses Jahr. Die vierjährig­e Marla und ihr Bruder Yannik (7) haben den Baum der Familie Richter ausgesucht. Papa Rainer hat beraten und darf den Baum nach Hause tragen.
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Hans Menzel bringt den Christbaum mit einem alten BMW Motorrad aus dem Jahr 1943 nach Hause.

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