Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Geld aus dem Diesel Fonds fließt
Verkehr 60 Kommunen erhalten jetzt insgesamt zwölf Millionen aus dem Milliarden-topf für die Luftreinhaltung. Doch ein aktuelles Urteil weckt Zweifel, ob Fahrverbote aufzuhalten sind
Berlin Um die Luft in besonders mit Abgasen belasteten Bereichen zu verbessern und Fahrverbote für Dieselautos zu vermeiden, erhalten 60 deutsche Städte Geld aus dem Fördertopf des Bundesverkehrsministeriums. Unter anderem Augsburg, Würzburg, München und Stuttgart können nun etwa Elektrobusse anschaffen, Ladestationen für Elektroautos oder Radwege bauen. Christian Schmidt (CSU), geschäftsführender Bundesverkehrsminister, hat dazu in Berlin Förderbescheide über eine Gesamtsumme von rund zwölf Millionen Euro übergeben. „Wir wollen mehr Mobilität bei weniger Emissionen“, so Schmidt.
In rund 90 deutschen Städten ist die Luft regelmäßig so stark mit gesundheitsschädlichen Stickoxiden belastet, dass die gültigen Grenzwerte teils deutlich überschritten werden. Schon bald drohen deshalb Fahrverbote. Am 22. Februar 2018 wird das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entscheiden, ob bestimmte Dieselfahrzeuge künftig aus bestimmten Innenstadt-zonen verbannt werden dürfen. Oder sogar müssen, wie nicht wenige Beobachter erwarten.
Möglicherweise könnten die Richter den Bund in die Pflicht nehmen, die „blaue Plakette“einzuführen, die wohl nur Dieselautos erhalten würden, die die strenge Euro6-abgasnorm erfüllen. Andere, auch teilweise recht neue Dieselautos, dürften nicht mehr in die City. Betroffen wären vor allem Pendler und Handwerker. Aber auch Busse oder Taxen mit Dieselmotor wären möglicherweise von Fahrverboten betroffen.
Verschärft wird die Situation durch den Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Millionen von Dieselfahrzeugen. In Autos etwa der Marke Volkswagen kam eine Schummel-software zum Einsatz, sodass die vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand erfüllt wurden – nicht aber im Normalbetrieb.
Einen Vorgeschmack auf künftige Rechtsstreitigkeiten um saubere Luft bietet ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Das hat das Land Baden-württemberg dazu verpflichtet, am Neckartor, Deutschlands schmutzigster Kreuzung, punktuelle Fahrverbote zu erlassen, um die Schadstoffbelastung zu senken. Das Land hatte zwei Anwohnern 2016 in einem Vergleich Verkehrsreduzierungen versprochen – diese Zusage aber zurückgenommen, da jede Maßnahme die Luft an anderer Stelle verschlechtere. „Dies führt aber nicht dazu, dass das Land am Neckartor untätig bleiben darf“, entschied das Gericht.
Das Land hat nun eine Frist bis Ende April 2018, um die Zusage aus dem Vergleich einzuhalten und den Verkehr am Neckartor an Tagen mit hoher Luftbelastung um 20 Prozent zu reduzieren. Passiert das nicht, muss das Land 10000 Euro Strafe zahlen. Um die drohenden Dieselfahrverbote zu vermeiden, hatte die Bundesregierung vor wenigen Wochen das „Sofortprogramm Saubere Luft“beschlossen, das Kommunen helfen soll, Fahrverbote in den Innenstädten zu vermeiden. Das Programm soll laut Kanzlerin Angela Merkel über das Jahr 2018 hinaus verstetigt werden.
Allein für 2018 steht für Luftverbesserungsmaßnahmen in den Kommunen eine Milliarde Euro bereit. In den Fonds fließen 750 Millionen Euro an Steuergeldern, die Autoindustrie soll sich mit 250 Millionen Euro beteiligen. Zusagen gibt es nur von VW, Daimler und BMW. Die ausländischen Hersteller, die in Deutschland einen Marktanteil von 38 Prozent erzielen, wollen sich nicht beteiligen. Trotz der Negativschlagzeilen wurde in diesem Jahr in Deutschland so viel Dieselkraftstoff verbraucht wie nie zuvor.
Sonderbeauftragter
Siegfried Balleis (CSU), früherer Oberbürgermeister von Erlangen, soll künftig dafür sorgen, dass die Mittel aus den verschiedenen Son derprogrammen des Bundes zur Ver besserung der Luftqualität auch möglichst reibungslos bei den Kom munen ankommen. Der geschäftsführende Bundesver kehrsminister Christian Schmidt (CSU) ernannte den 64 jährigen, der 18 Jahre lang die Geschicke der fränkischen Stadt geführt hatte, zum Sonderkoordinator für das Sofort programm „Saubere Luft“. Sonderbeauftragte, Bundesbeauf tragte oder Ko ordinatoren wer den von den Bundesministe rien oder der Kanzlerin ernannt. Sie unterstüt zen in unabhängi ger und bera tender Form, sind aber nicht in die Hierarchie der Verwaltung eingeglie dert. Laut der Gemeinsamen Ge schäftsordnung der Bundesministe rien sind sie bei allen Vorhaben, die ihren Aufgabenbereich berühren, frühzeitig zu beteiligen. Die aktuelle Liste der Beauftragten und Koordinatoren umfasst 32 Stellen. Als Beauftragter der Bundes regierung für die Opfer und Hin terbliebenen des Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz etwa machte jüngst der frühere rheinland pfälzische Ministerprä sident Kurt Beck von sich reden. Die CSU Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler fungiert als Be auftragte der Bundesregierung für Drogenfragen, die SPD Staatsmi nisterin Aydan Özoguz als Beauftrag te der Bundesregierung für Migra tion, Flüchtlinge und Integration. Iris Gleicke (SPD) ist für die Neuen Bundesländer zuständig. (bju)