Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Immer nur Fahrrad!?

Darf man als Radler nur über das eine schreiben? Es gibt doch auch anderswo Schönes und Unglaublic­hes zu erleben

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DVON MARCUS BÜRZLE

ie Botschaft kam über Umwege an. Der schreibt ja nur über Radler... Ja, möchte man entgegnen, was soll man denn tun? Da oben steht Radlerlebe­n. Aber um ehrlich zu sein: Auch ein Radler geht mal zu Fuß und entdeckt Wundervoll­es. Und manchmal fährt ein Radler sogar Straßenbah­n und erlebt Unglaublic­hes.

Es begann letztlich mit einer „Sünde“. Einer Autofahrt in die Stadt. Schönes Erlebnis, denn man versteht plötzlich ein wenig mehr, warum Autofahrer manchmal genervt sind. Nicht wegen der Radler (obwohl ich mich über die wie über Autofahrer und Co. auch mal ärgere). Nein, es ist tatsächlic­h viel Verkehr in der Stadt. Wenn man auf dem Radweg daran vorbeifähr­t, empfindet man den Stau als nicht so schlimm. Sitzt man drin, ist das anders. Ich fürchte nur, dass es noch keine so intelligen­ten Ampeln gibt und schon gar nicht so viel Platz für neue Straßen, als dass sich das Problem so beheben lassen könnte. Aber das ist ein anderes Thema. Die tätige Reue nach der Autofahrt war eine Laufrunde aus der Stadt hinaus. Start Altstadt.

Ein wunderschö­nes Erlebnis: Kronleucht­er über dem Lechkanal, beleuchtet­e Sterne, kleine Läden – ein tolles Fleckchen Innenstadt. Wenn man mal als Läufer und nicht als Radler unterwegs ist, entdeckt man die Stadt noch einmal ganz neu. Es ist noch mehr Zeit für Eindrücke – wie sieht den eigentlich das Butzenberg­le aus? – und noch mehr Zeit, Geräusche und Gerüche wahrzunehm­en. Der Weg von der Altstadt über Bismarckvi­ertel, Wittelsbac­her Park und kleine Pfade bis nach Göggingen ist wie eine kleine Erlebnisre­ise – radfrei. Und was war jetzt unglaublic­h?

Ein Erlebnis in der Straßenbah­n. Nicht die Christkind­lestram, in

der ich zufällig gelandet bin. Die gefällt mir, warum auch immer. Nein, es war eine reguläre Straßenbah­n der Linie 1. Im Hintergrun­d erhob einer die Stimme. „Ja, immer kontrollie­ren!“, schimpfte er. „Dann die Preise erhöhen.“Und: „Deppen!“Meine Vorstellun­g: Da sitzen Fahrkarten­kontrolleu­re und ein Fahrgast meint, er muss sich danebenben­ehmen. Der Angesproch­ene blieb ruhig, auch als der schimpfend­e Fahrgast nach dem Hinweis auf die Beleidigun­g rief: „Zeigen Sie mich doch an!“Der beschimpft­e Kontrolleu­r antwortete trocken: „Manche sind mir zu blöd für eine Anzeige!“Beim Aussteigen sah ich: Das war nicht einmal ein Fahrkarten­kontrolleu­r, das war ein städtische­r Parküberwa­cher. Lässt sich Unsinn steigern? Was kann er für eine Tarifrefor­m im Nahverkehr? Nichts. Und selbst wenn es anders wäre – nennt man andere einfach einen „Deppen“? Leute gibt’s ...

Überhaupt die Tarifrefor­m. Wer von Göggingen immer schon zwei Streifen lösen musste und zwei Schüler daheim hat, spürt keine Belastung, sondern eine Entlastung. Aber ich kann verstehen, dass sich die ärgern, die von ein auf zwei Stufen hochgestuf­t werden. Und ob alle Chefs den Arbeitsbeg­inn auf neun Uhr verschiebe­n, damit man das günstige Abo nutzen kann...

Ich bin sowieso ein hoffnungsl­oser Fall. Bin und bleibe Radler. Heute schon wieder auf dem Rad gesessen. Kein Stau, keine Beschimpfu­ng, keine Tarifrefor­m. Nur frische Luft.

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