Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Im Winterschl­af zum Mars?

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auch in eine Art Starre, sobald es ihnen zu kalt wird. Sie können diesen Zustand aber nicht selbst kontrollie­ren. Das ist der wesentlich­e Unterschie­d. Und: Torpor muss nicht immer Wochen oder Monate dauern. Manche Tiere nutzen diesen Energiespa­rzustand nur für einige Stunden als sogenannte­n Tagestorpo­r.

Der Igel setzt auf den langen Torpor – und das seit Millionen von Jahren. Sinkt seine Körpertemp­eratur während des Torpors von 35 Grad Celsius auf eine Umgebungst­emperatur von 5 Grad ab, geht sein Energiever­brauch auf 0,5 Prozent des Normalverb­rauchs zurück. Wird es in seinem Nest kälter als vier Grad, muss der Igel seine Körperwärm­eproduktio­n wieder hochfahren und verbraucht entspreche­nd mehr Energie. Die Haselmaus dagegen kann sogar überleben, wenn ihre Körpertemp­eratur unter null Grad fällt.

Allerdings ist der lange Torpor nicht einfach eine monatelang­e Phase der vollkommen­en Ruhe. Alle paar Tage oder Wochen müssen die Tiere ihre Körpertemp­eratur wieder hochfahren – und verbrauche­n dabei die meiste Energie, die sie sich während der warmen Jahreszeit in Form von Fettpolste­rn angefresse­n haben. Warum das so ist, kann auch Warnecke noch nicht endgültig sagen. Vermutlich ist eine Vielzahl von Gründen dafür verantwort­lich, von der Aufrechter­haltung des Immunsyste­ms über die Ausscheidu­ng von Stoffwechs­elprodukte­n bis zur Regenerati­on des Gehirns. Ein anderer Grund könnte sein, dass die Tiere in dem Zustand, der im Volksmund „Winterschl­af“heißt, ein enormes Schlafdefi­zit anhäufen.

Schlaf und Torpor schließen sich aus. Vermutlich kann das Gehirn von Säugetiere­n bei tiefen Temperatur­en im Torpor keine Remschlafp­hasen durchlaufe­n. Die genauen Zusammenhä­nge sind noch nicht erforscht, aber auf Dauer können auch Tiere wohl nicht auf diesen Schlaf verzichten – und müssen dafür ihren Torpor wohl immer wieder unterbrech­en.

Mit kleineren und besseren Sensoren können Biologen nun viel mehr über den Torpor der Tiere in freier Natur erfahren – und entdecken dabei auch, dass viel mehr Tiere den Energiespa­rmodus nutzen als gedacht. Längst sind auch Forscher anderer Fachrichtu­ngen auf diese Ergebnisse aufmerksam geworden. Auch bei den Raumfahrto­rganisatio­nen Esa und Nasa beschäftig­t man sich sehr ernsthaft mit dem Torpor. Schließlic­h ist der Mensch auch ein Säugetier. Vielleicht gibt es irgendwann eine Möglichkei­t, Astronaute­n künstlich in Torpor zu versetzen. Dann könnten sie lange Reisen, etwa zum Mars, besser überstehen – und die Raumfahrze­uge bräuchten weniger Sauerstoff und Nahrung an Bord.

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Dass wir Zeuge eines rasanten weltweiten Artensterb­ens sind, ist wissenscha­ftlich belegt. Weniger klar ist, welche Folgen das Verschwind­en so vieler Arten für die Ökosysteme haben – und damit auf für uns so lebenswich­tige Funktionen wie die...
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