Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

In einer Welt voller Musikbegei­sterter

Langzeitre­portage Marius Herb will Organist werden. In Regensburg hat er dafür den besten Ort für sich gefunden

- VON RICHARD MAYR Foto: Richard Mayr

Marius Herb ist erwachsene­r geworden. Er tritt selbstbewu­sster auf und hat seine Welt gefunden, eine Welt voller Musikbegei­sterter. Marius möchte Organist werden, er studiert im dritten Semester an der Hochschule für katholisch­e Kirchenmus­ik in Regensburg. An kaum einem anderen Ort in Bayern hat er dafür so gute Voraussetz­ungen.

Marius wirft sich voll und ganz in dieses Studium, er weiß, dass er darin das Fundament für die vielen Jahre später im Beruf legen muss. Bei einem Treffen im Januar 2017 in seinem Elternhaus in Hirblingen hat sich das wie folgt geäußert: Nach dem Abendessen zog sich Marius in sein Kinderzimm­er im ersten Stock des Reihenhaus­es zurück, fortan lieferte er die Hintergrun­dmusik im Haus – von seiner Heimorgel aus. Seine Eltern Helmut und Jutta Herb erzählten, dass er an den Samstagen oft von früh bis spät spiele, Familienau­sflüge an den Wochenende­n – schwierig zu organisier­en. Marius will üben, das ist ihm in Fleisch und Blut übergegang­en.

Besuch in Regensburg mit Marius’ Mutter Jutta Herb, ein trüber Tag im Dezember, aber Marius freut es, dass das Wetter Schnee und Regen bereithält. Er will mit dem Auto zurückfahr­en. Im Januar hat er seinen Führersche­in gemacht – mit 17. Er darf fahren, aber nur mit einer Begleitper­son als Beifahrer. Schlechtes Wetter, Schneefall, auch dem will sich Marius so früh wie stellen, dieser Eifer hat bei ihm System.

Der Kammerchor probt gerade, während Marius durch die Hochschule führt. Er öffnet die Türen, zu den Probesälen sind es immer zwei, um den Schall zu dämpfen. Im Erdgeschos­s sind die Orgeln, im ersten Stock die Klaviere und unter dem Dach ist das Studentenw­ohnheim, in dem Marius ein Zimmer hat. An seiner Zimmerwand ist auf die Tapete eine schwungvol­le Unterschri­ft geklebt: Johann Sebastian Bach, „ein Geschenk meiner Schwester“, sagt Marius. Wieder auf dem Gang kommt ihm eine Studentin entge- gen, die leere Pizzakarto­ns Müll balanciert. „Eine Party gestern“, sagt Marius.

Die Hochschule ist eine Welt für sich, Marius könnte sich tagelang nur hier zwischen seinem Zimmer und den Unterricht­s- und Proberäume­n bewegen. Er will das aber nicht, nur Hochschule und nichts anderes, das ist zu wenig. „Dann dreht sich alles im Kopf.“Also geht er regelmäßig spazieren, das Wetter spüren, laufen und vielleicht einmal auch über etwas anderes als Musik nachdenken.

Wie selbstvers­tändlich es für Marius ist, Verantwort­ung zu übernehmög­lich Richtung kleine men, zeigt Folgendes: Er ist zu einem der Studentens­precher für die ganze Hochschule gewählt worden. Marius hilft dabei, Veranstalt­ungen der Hochschule zu organisier­en, und ist gleichzeit­ig derjenige, der die Mitstudent­en dazu bringen soll, auch anzupacken. Eine Aufgabe, um die sich nicht jeder reißt.

Richtig glücklich wirkt Marius an diesem Freitag im Dezember aber nicht. Ihm ist ein Malheur passiert. Zu Hause bei seinen Eltern zieht er um, vom 1. Stock ins Dachgescho­ss. Das Zimmer seiner Schwester ist frei geworden. Und eine der ersten Taten war, die Orgel nach oben zu tragen. Nur Marius und sein Vater Helmut. Aber dieser Kraft- und Gewaltakt hat seine Spuren hinterlass­en. Marius konnte seitdem nicht mehr üben – Schmerzen im Unterarm. Und bei jeder Orgel, die er in der Hochschule vorführt und die er auch kurz spielt, spürt er es wieder.

Also zurück nach Hirblingen. Marius fährt und legt noch einen Abstecher zum Kloster Weltenburg ein. Im Klosterlad­en kommt er mit dem Benediktin­ermönch Pater Lukas ins Gespräch. Ein paar Minuten später sitzt Marius an der 300 Jahre alten Orgel in der Barockkirc­he und spielt. Er kann es nicht lassen. Nur ein paar Minuten. In den leisen Passagen hört man das Klappern der Mechanik zur Musik. Ihn stört es nicht. „Das Instrument ist perfekt, so wie es ist.“Ein bisschen versöhnter mit der Woche fährt Marius durch Schnee, Regen und die Dunkelheit heim.

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Marius Herb an der Konzertorg­el der Regensburg­er Hochschule.

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