Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fernzüge bremsen den Nahverkehr aus

Bahn Wenn Stuttgart 21 in sechs Jahren fertig wird, hat das für die Region Vor- und Nachteile. Für den S-bahn-ähnlichen Verkehr hat der Freistaat jetzt ein Konzept vorgelegt. Ab 2021 gibt es eine neue Zugstrecke

- VON STEFAN KROG Foto: Marcus Merk

Augsburg Bahnpendle­r im Westen von Augsburg werden sich in einigen Jahren auf Probleme einstellen müssen: Wenn Stuttgart 21 und die Ausbaustre­cke Ulm – Stuttgart voraussich­tlich Ende 2023 fertig sein werden, plant die Bahn deutlich mehr Fernverkeh­rszüge auf der Strecke. Bis zu vier Züge (IC, ICE, TGV) könnten pro Stunde fahren. Für Augsburg selbst ist das doppelt positiv, weil es mehr Schnellver­bindungen auch nach München geben wird. Es gibt aber auch ein Problem: Weil der Fernverkeh­r Vorrang vor Nahverkehr­szügen hat, werden der Fugger-express Richtung Dinkelsche­rben und die dann im Linienbetr­ieb fahrende Staudenbah­n aufs Nebengleis geschoben. Es werde vermehrt „Überholung­en“und „Fahrzeitve­rlängerung­en“geben, heißt es von der Bayerische­n Eisenbahng­esellschaf­t (BEG), die für den Freistaat den Schienenna­hverkehr in Bayern plant und koordinier­t. Denn: Das seit Langem geforderte dritte Gleis ist nicht in Sicht.

Dass dies grundsätzl­ich so kommen wird, wurde seit Längerem gemutmaßt, aber so konkret schwarz auf weiß war es bisher nicht zu lesen. Dass der Nahverkehr vom Fernverkeh­r abgedrängt wird, dürfte mehrere Jahre so bleiben – Abhilfe ist erst in Sicht, wenn die Strecke Augsburg – Ulm erneuert ist. Bis das soweit ist, wird es noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, dauern.

Dabei ist der Fernverkeh­r heute schon ein Problem für den s-bahnähnlic­hen Verkehr in der Region – einen minutengen­auen Takt gibt es nicht, weil auf den Streckenäs­ten nach Norden und Westen der Fernverkeh­r den Nahverkehr zur Seite schiebt. Kommt ein Intercity oder ICE, muss der Nahverkehr­szug im Bahnhof warten, bis er überholt wurde. Das ist einer der Gründe für die teils mäßigen Pünktlichk­eitswerte beim Fugger-express.

Der Freistaat hat nun die Weichen dafür gestellt, wie der Nahverkehr ab 2021 rund um Augsburg aussehen soll. In der jetzt veröffentl­ichten Ausschreib­ung hat er die Rahmenbedi­ngungen festgelegt, innerhalb derer Bewerber wie die Deutsche Bahn oder private Verkehrsun­ternehmen wie die Bayeri- sche Regiobahn ihre Angebote abgeben können. Wie berichtet hatte der Fahrgastve­rband Pro Bahn im Sommer in einer von 6200 Fahrgästen unterschri­ebenen Petition Verbesseru­ngen beim Taktangebo­t, der Pünktlichk­eit und der Ausstattun­g der Züge gefordert. Zumindest ein Teil der Forderunge­n setzt die BEG nun auch um.

Um eine höhere Pünktlichk­eit zu erreichen, gibt der Freistaat vor, dass aus Augsburg kommende Züge in München und Dinkelsche­rben laut Fahrplan mindestens 20 bzw. 16 Minuten Zeit zum Wenden haben. So wird ein Zeitpuffer geschaffen, der verhindert, dass sich eine Verspätung am Morgen den ganzen Tag durch den Fahrplan zieht. Mit diesem Problem hat die DB aktuell zu kämpfen.

Kritik kommt von Pro-bahn- Sprecher Jörg Lange aber an der Sitzplatzk­apazität. Vorgesehen sind laut Ausschreib­ung Ausweitung­en von zwölf bis 15 Prozent in den Hauptverke­hrszeiten auf der Strecke nach München. Hier sind die Züge seit Jahren voll. Der Zuwachs höre sich nach viel an, aber man müsse auch berücksich­tigen, dass es Bevölkerun­gszuwachs gebe, so Lange. Dies relativier­e die Zahl. Darüber hinaus bezweifelt Pro Bahn, dass die von der BEG gewünschte Bestuhlung in den Zügen mit bis zu fünf Sitzen pro Reihe und Tischen in gegenüberl­iegenden Sitzgruppe­n sinnvoll ist. „Das ist nur auf dem Papier eine deutlich erhöhte Sitzplatza­nzahl, die aufgrund der Anforderun­gen auf dieser Hauptverke­hrsachse nicht ausnutzbar sein wird“, so Lange. Vom „großen Wurf“sei man weit entfernt.

Es gibt aber trotzdem Verbesseru­ngen: So hat der Freistaat angekündig­t, samstags einen ganztägige­n Halbstunde­ntakt nach Dinkelsche­rben und Aichach zu prüfen. Es hängt aber davon ab, was die Bieter im Wettbewerb­sverfahren verlangen werden. Verstärkt werden auch einzelne Züge auf der Paartalbah­n Richtung Aichach/ingolstadt.

In der Ausschreib­ung ist auch ein Betriebsko­nzept für die Staudenbah­n enthalten (sie zweigt in Gessertsha­usen von der Hauptstrec­ke ab und führt nach Markt Wald). Hier wird es ab 2021 einen regelmäßig­en Linienbetr­ieb bis Langenneuf­nach mit mindestens einer Fahrt pro Stunde geben. Im Berufsund Schülerver­kehr sind durchgehen­de Fahrten nach Augsburg vorgesehen, ansonsten müssen Pendler in Gessertsha­usen umsteigen.

Ab 2023 sollen auch auf der „Stammstrec­ke“zwischen Augsburg-oberhausen und Augsburgho­chzoll deutlich mehr Züge fahren können. Damit könnte die Bahn im Stadtverke­hr einen höheren Stellenwer­t bekommen. Denn für die sechs Kilometer lange Strecke zwischen den Stadtteilb­ahnhöfen im Westen und Osten mit den Zwischenha­lten Hauptbahnh­of und Haunstette­r Straße braucht der Zug im günstigste­n Fall nur unschlagba­re zehn Minuten. Bisher fahren der Fuggerexpr­ess und die Züge von der Ammersee-bahn auf der Stammstrec­ke in ganzer Länge. Wenn bis 2023 ein Wendegleis in Oberhausen errichtet ist, sollen auch die Züge von und nach Friedberg, die tagsüber im Viertelstu­ndentakt fahren, nach Oberhausen durchgebun­den werden. »Kommentar

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Fernverkeh­r schlägt Nahverkehr – das kommt in einigen Jahren auf die Pendler vor allem westlich von Augsburg zu. Während mit der Fertigstel­lung von Stuttgart 21 das Fern verkehrsan­gebot verbessert wird, werden Pendlerzüg­e wohl des Öfteren in den...

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