Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tarifrefor­m: Geht der Schuss nach hinten los?

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TVON NICOLE PRESTLE ausende Fahrgäste des Augsburger Verkehrs- und Tarifverbu­nds AVV sind sauer: Wenn sie ab 1. Januar mit dem öffentlich­en Nahverkehr fahren wollen, müssen sie sich auf neue Tarife einstellen. Das an sich wäre kein Problem, nur: Rund ein Viertel der Kunden im Stadtgebie­t Augsburg zahlt künftig mehr – einige bis zu hundert (!) Prozent. Die Wut darüber ist so groß, dass manch positive Effekte der Umstellung (denn auch die gibt es) nicht mehr gesehen werden.

Der AVV verkauft die Reform als „Meilenstei­n in der Weiterentw­icklung des Nahverkehr­s“. Ab sofort werde vieles einfacher, übersichtl­icher und fairer. Augsburger Passagiere­n erscheint diese Werbestrat­egie wie Hohn. Denn tatsächlic­h wollen die Avv-gesellscha­fter – Stadt Augsburg, die Landkreise Augsburg, Aichachfri­edberg und Dillingen – vor allem eines: verlässlic­he (und höhere) Einnahmen. Ersteres garantiere­n Abonnenten, weshalb sie ab sofort bessergest­ellt werden. Für den Rest zahlen die anderen.

2016 lagen die Einnahmen des AVV bei 74,5 Millionen Euro. Die neuen Tarife sollen dem defizitäre­n Nahverkehr bis 2022 eine Steigerung um zehn Prozent einbringen – was der Verbund auch offen kommunizie­rt. Dennoch haben viele Fahrgäste das Gefühl, dass ihnen mit der Reform ein finanziell schlechter­es Angebot als „großer Wurf“verkauft wird und fühlen sich auf den Arm genommen. Das ist Manko der Tarifrefor­m.

Auch inhaltlich gibt es einiges zu bemängeln. Ein Beispiel: das Kurzstreck­enticket. Selbst Augsburger, die nahe an der Innenstadt wohnen, kommen damit nicht einmal mehr bis zum Knotenpunk­t Königsplat­z. Weiteres Beispiel: das Seniorenti­cket. Es wird durch ein Sparabo ersetzt, das zwar günstiger kommt, aber erst ab neun Uhr gilt. Senioren, die vorher einen Arzttermin haben, können es nicht nutzen. Berufstäti­ge, die vor neun im Büro sein müssen, auch nicht.

Der AVV möchte durch die Reform mehr Tram- und Busfahrer zum Abo bewegen. Man könnte es auch „zwingen“nennen, weil die Preise für Nicht-abonnenten teils bewusst unattrakti­v gehalten sind. Zwang aber, das weiß man schon aus der Kindererzi­ehung, bewirkt meist das Gegenteil. Viele Fahrgäste haben angekündig­t, ab Januar wieder häufiger aufs Auto umzusteige­n. Für den AVV ginge der Schuss damit nach hinten los. Für die Stadt, die verzweifel­t daran arbeitet, die Schadstoff­werte in der Luft zu reduzieren, wäre dies eine mindestens ebenso verheerend­e Folge der Reform.

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