Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Europa ist hier keine Heldengeschichte
Ausstellung Die Arbeiten der Künstlerin Beate Passow im Textilmuseum fassen politische Themen an. Ihre Wandteppiche loten die Grenzen und Grenzbereiche der Europäischen Union aus
Viermal Europa und einmal ein Blick nach Übersee – fünf Orte, die allein schon durch ihre Namen Gedanken wecken: Gibraltar, Lampedusa, Knossos, Brüssel und die Wall Street. Das klingt nach Flüchtlingskrise und Kapitalismus, nach Bürokratie und Mythos. Genau in diese Bereiche stößt die in München lebende Künstlerin Beate Passow mit ihrem Bilderzyklus „Monkey Business“vor. Übersetzt bedeutet dieser Titel „fauler Zauber“.
Die Bilder hat Passow eigens für ihre Ausstellung im Textil- und Industriemuseum in Augsburg geschaffen. Die Künstlerin, die 1945 geboren und 2017 mit dem renommierten Gabriele Münter Preis ausgezeichnet worden ist, muss mit ihren Arbeiten förmlich ins Textilmuseum. In einigen Bildserien hat sie bereits mit textilen Mitteln gearbeitet, etwa in dem Zyklus „Wanted“, der ebenfalls im Foyerbereich des Museums ausgestellt wird. Darin begegnen dem Betrachter die Antihelden der Zeitgeschichte. Es sind Fahndungsaufrufe: die erste Rafgeneration um Andreas Baader, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin, der NSU mit Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, Abdesalam Salah, der Kopf der Paris-attentate, die Rote Armee Fraktion Japan, eine schwarze Witwe aus Sotschi. Passow hat die Aufrufe fotografiert und die dazugehörigen Texte auf Leinwände gestickt. Genau darin liegt der künstlerische Akt. Passow zeigt den Betrachtern, dass man es sich mit dem Phänomen des Terrorismus nicht so einfach machen sollte. Der Terrorist wird über das Material zurück in die Gesellschaft geholt, vielleicht gehört er ja zum System dazu – als das radikale Gegenteil.
Für den Zyklus „Monkey Business“hat Passow mit dem Museum zusammengearbeitet. Es sind Foto- montagen, die die eingangs genannten Orte zeigen. Als Figuren tauchen ein Affe, ein Bulle, ein Bär, eine Gruppe Füchse, ein Pfau, dazu ein Minotaur, ein Zentaur und eine an Venus erinnernde Frau auf. Diese Figuren hat Passow in die Bilder gesetzt, mit ihnen bringt sie die Orte zum Sprechen, durch sie werden sie aufgeladen mit Aussage: Der Affe sitzt in Gibraltar auf einer Kanone, die aufs Mittelmeer gerichtet ist. Deutlicher wird der Verweis auf die Eu-flüchtlingspolitik im Mittelmeer auf dem Bild Lampedusa. Lee- re Boote und Bootwracks im Vordergrund, mittendrin das Skelett eines Zentauren als Kapitän. Als unbeherrscht und lüstern gelten diese Fabelwesen im Mythos. Hier sollen sie auf ein Europa verweisen, das an seinen Grenzen nicht mit Vernunft agiert, sondern in für viele Flüchtlinge tödlichen Abwehrreflexen. Der Bär bespringt die Bullenskulptur an der Wall Street und in Brüssel posieren Menschen in Fuchskostümen vor dem Atomium. Aber das Selbstverständliche dieser Gesten wird eine Ungeheuerlichkeit, wenn man die Armbinden und Uniformen ansieht. Dann stehen dort Rechtsradikale, die sich ungeniert in der Öffentlichkeit breitmachen.
Auf den Webstühlen des Textilund Industriemuseums sind aus den Fotomontagen Tapisserien, maschinell hergestellte Wandteppiche entstanden. Auf Wandteppichen wurden früher Heldengeschichten erzählt, auf Passows Arbeiten geschieht das Gegenteil. Dieser Kontrast unterstreicht das Anliegen der Künstlerin. Eine sehenswerte Ausstellung im Tim, die aber nicht nur große politische Themen anfasst, sondern mit dem Zyklus „Trade made“auch noch den Kunstmarkt auf eine witzige und erzählerische Weise aufspießt.
Laufzeit der Ausstellung „Monkey Business“von Beate Passow im Textil und Industriemuseum Augsburg bis zum 1. April. Geöffnet hat das Museum Dienstag bis Sonntag von 9 Uhr bis 18 Uhr. Zur Schau ist außerdem ein infor mativer und reich bebilderter Katalog im Hirmer Verlag erschienen (64 Seiten, 24,90 Euro)