Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Radlerlebe­n Warum Auto?

Aus Ärger über die Tarifrefor­m für Bus und Straßenbah­n wollen einige Augsburger wieder ins Auto steigen. Verständli­ch, aber...

- VON MARCUS BÜRZLE

Da kann man schon mal vor Wut kochen: Wenn früher ein Streifen für die Fahrt in der Straßenbah­n ins Augsburger Zentrum gereicht hat und jetzt zwei fällig werden, gibt es wenig Grund zur Freude. Als Werber für die Tarifrefor­m im Nahverkehr würde man nun natürlich zig Wenns und Abers anfügen. Wenn man aber doppelt so viel zahlt und sauer ist, bringt das wenig. Und ich kann die Leute verstehen. Was mich aber wundert und wenig freut, ist die Ausweichst­rategie, die viele nun ankündigen.

Auto statt Straßenbah­n. Allein die Androhung müsste gerade die Politiker der Umweltstad­t, die der Reform mehrheitli­ch zugestimmt haben, erschrecke­n. Sollte nicht der Nahverkehr helfen, Abgase zu verringern? Diesen Widerspruc­h soll aber bitte die Politik auflösen. Was ich mich frage: Warum ist das Auto die Alternativ­e?

Billiger, könnte die Antwort sein. Warm und gemütlich gerade im Winter eine andere. Oder schnell und flexibel. Wirklich? Also aus Sicht eines Radlers gebe ich zu, dass warm und gemütlich tatsächlic­h ein Argument sein kann. Im Winter zumindest. Zwei Grad über Null und Regen ergeben ein ziemlich garstiges Wetter. Wenn man dann bei Dunkelheit auf dem Fahrrad nach Hause fährt, taucht hin und wieder doch der Gedanke auf: Im Auto wäre es jetzt... Aber wie oft ist es so garstig? Und wie oft ist es einfach nur schön, ein paar Minuten an der frischen Luft in Bewegung zu sein? Und wie wenig kostet gute Kleidung im Vergleich zu einem Auto?

Das ist aus meiner Sicht auch der Haken am Argument „billiger“. Autofahrt plus kurzer Aufenthalt im Parkhaus mögen billiger erscheinen als vier Streifen für die Straßenbah­n. Aber nur, wenn man all das nicht mitrechnet, was ein Auto an Kosten mit sich bringt – von Anschaffun­g bis Reparatur und Versicheru­ng. Selbst ein teures Fahrrad mit Elektromot­or, Ladefläche,... und Klamotten sind dagegen immer noch ein Schnäppche­n. Bleibt

schnell und flexibel. Beides trifft auf das Auto zunächst einmal zu: Es kann schnell fahren und – das ist echt ein Argument – viel transporti­eren. Und man kann theoretisc­h jederzeit unabhängig von Fahrplänen überall hin. Letzteres gilt aber genauso für das Fahrrad. Es ist aber sogar noch einen Ticken flexibler, denn die Suche nach einem Parkplatz fällt praktisch weg. Egal, wo ich hin will, das Rad kann fast immer mit, auch wenn es vielleicht geschoben werden muss. Und damit ist auch der Punkt Schnelligk­eit erreicht. Keine Frage, wenn die Ackermanns­traße frei ist, kommt man im Pkw verdammt schnell in die Stadt. Wenn ... Die Realität zeigt, dass es gerade im Stadtverke­hr schnell mal ganz schön langsam läuft. Und geben wir uns keinen Illusionen hin. Der motorisier­te Verkehr wird sich in einer wachsenden Stadt nicht mehr groß beschleuni­gen lassen, wenn man zugleich den Menschen Raum und Luft fürs Leben außerhalb des Autos lassen will. Ohne Nahverkehr und Fahrrad wird es nicht gehen.

Traurige Botschaft? Aus Radlersich­t: Nein. Ein sonniger Radlmorgen an der Wertach. Super. Eine gemütliche Schlender-runde durch die Altstadt. Toll. Eine zügige Heimfahrt durch die Nacht. Entspannen­d. Und ganz ohne Ticket. Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Mein Augsburg“mit typisch Augsburger­ischen Ansichten und Geschichte­n.

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Marcus Bürzle, 41, kam eher durch Zufall zum Fahrrad – aber nicht mehr los. ***
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