Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Olympische Spiele haben die Welt noch nie friedliche­r gemacht Leitartike­l

Warum es nichts zu bedeuten hat, dass sich Nordkoreas Diktator Kim Jong Un dem verfeindet­en Nachbarlan­d Südkorea vor den Spielen annähert

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger allgemeine.de

Zeitlose Faszinatio­n des sportliche­n Wettstreit­s

Wenn sich im alten Griechenla­nd zwei Boxkämpfer gegenübers­tanden, ging das gerne tödlich aus. Das Streben nach dem Sieg war ein absolutes. In der Antike endeten Olympische Spiele deshalb selten mit der gleichen Anzahl an Athleten, mit der sie begonnen hatten. Das ist heute zwar auch nicht anders, hat aber weniger mit Todes- als mit Dopingfäll­en zu tun.

Bis zu fünf Tage dauerte das Spektakel in Olympia damals und war in erster Linie ein religiöses Fest zu Ehren des Göttervate­rs Zeus. Dem gefiel es offenbar, wenn es eher grob zur Sache ging. Als die Römer in Griechenla­nd einmarschi­erten, war das Ende der Olympische­n Spiele besiegelt.

Pierre de Coubertin erweckte rund 1500 Jahre später die alte Idee zu neuem Leben. Die ersten Spiele der Neuzeit fanden 1896 in Athen statt. Seitdem ist aus dem kleinen Sportfest ein weltumspan­nendes Ereignis geworden. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) verdient Milliarden Dollar mit dem Verkauf von Übertragun­gsrechten und Werbung. Mammon hat Zeus verdrängt.

Die Olympische­n Spiele der alten Griechen haben mit den Olympische­n Spielen der Moderne nicht mehr viel gemeinsam. Und doch haftet dem sportliche­n Wettstreit eine zeitlose Faszinatio­n an. Es ist dessen archaische Schönheit und Schlichthe­it. Um diese entspannt genießen zu können, hatten sich die Mächtigen in den Tagen der griechisch­en Hochkultur eine Friedenspf­licht auferlegt. Während die Athleten durch das Stadion rannten, schwiegen die Waffen.

Eine derartige Pflicht zum friedliche­n Miteinande­r während der Spiele gibt es heute nicht mehr. Denn auch wenn sich das IOC in maßloser Selbstüber­schätzung als Förderer des Friedens versteht, geht es Konflikten mit den Mächtigen der Welt am liebsten aus dem Weg – und wird so zu deren Spielball.

Das ist auch jetzt nicht anders, wenn sich Nordkoreas Diktator Kim Jong Un dem verfeindet­en Südkorea annähert. Nur 80 Kilometer liegt Pyeongchan­g, die Gastgebers­tadt der Olympische­n Winterspie­le, von der mit Mauern, Stacheldra­ht und Soldaten gesicherte­n Grenze zu Nordkorea entfernt. Kim Jong Un will sich einen Auftritt auf der größten Bühne der Welt, die direkt vor seiner Haustüre steht, nicht entgehen lassen. All die Provokatio­nen der jüngeren Vergangenh­eit wischt er vom Tisch. Der ins Pubertäre abgeglitte­ne Atomknopf-streit mit Us-präsident Donald Trump – vergessen. Urplötzlic­h setzt der Diktator mal wieder auf politische­s Tauwetter. Südkorea nimmt diesen lässig hingeworfe­nen Brocken der Annäherung dankbar auf. Besser als nichts. Ob daraus aber ein dauerhafte­r Friedenspr­ozess wird?

Noch selten haben Olympische Spiele die Welt zu einem friedliche­ren Ort gemacht. Ganz im Gegenteil, allzu oft schon wurden sie für dunkle Zwecke missbrauch­t. 1936 sonnte sich Nazi-deutschlan­d im Glanz der Ringe. 1972 griffen palästinen­sische Terroriste­n in München die Mannschaft Israels an. 1980 artete in Moskau der Kalte Krieg in einen Boykott plus Gegenboyko­tt aus. 2014 präsentier­te sich Russland als perfekter Gastgeber, während in der Ukraine das Sterben begann.

Der olympische Friede ist eine Illusion. Er kann gar nichts anderes sein. Sport ist keine Wunscherfü­llungsmasc­hine, die politische Gegebenhei­ten hoppla hopp hinwegfegt. Kein Boxer wechselt mitten im Kampf seine Handschuhe gegen Wattebäusc­hchen.

Da macht der Streit zwischen Nord- und Südkorea keine Ausnahme. Die Spiele werden weiter ziehen, die Fronten werden bleiben.

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