Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Messerstic­h am Oberhauser Bahnhof

Justiz Ein Streit am Helmut-haller-platz gerät im Juni des vergangene­n Jahres aus dem Ruder. Ein 33-Jähriger verliert über zwei Liter Blut. Angeklagt ist nun ein 18-jähriger Mann. Er will sich bedroht gefühlt haben

- VON KLAUS UTZNI

Der Oberhauser Bahnhof ist heftig umstritten­er Treffpunkt der Trinkerund Drogenszen­e. Aber auch bestimmte ethnische Gruppen haben sich dort seit einiger Zeit etabliert, etwa Flüchtling­e aus dem Nahen Osten sowie russischst­ämmige Menschen. Kleinere Konflikte, auch bedingt durch Alkohol, Drogen und Sprachbarr­ieren, können sich schnell hochschauk­eln. Ein Streit, der mit einem folgenschw­eren Messerstic­h endete, beschäftig­te gestern am Amtsgerich­t das Jugendschö­ffengerich­t unter Vorsitz der Richterin Ortrun Jelinek.

Zwei Gruppen, junge Männer aus Syrien und dem Irak sowie etliche Deutschrus­sen, hatten sich am 23. vergangene­n Jahres um zwei Bänke in der Grünanlage am Oberhauser Bahnhof geschart. Unstrittig ist das Ende des Konflikts: Ein Syrer, 18, stach mit einem großen Taschenmes­ser einem Russlandde­utschen, 33, so heftig in den rechten Oberschenk­el, dass aus einer zehn Zentimeter tiefen und 15 Zentimeter langen Wunde über zwei Liter Blut heraus strömten, ehe die Verletzung abgebunden und später bei einer Notoperati­on versorgt wurde. Zahlreiche Blutgefäße waren durchtrenn­t, zum Glück aber keine Hauptschla­gader getroffen worden.

Die Kripo hatte zunächst wegen eines versuchten Tötungsdel­ikts ermittelt, im Prozess hat Staatsanwä­ltin Julia Buijze den Syrer dann nur mehr wegen gefährlich­er Körper- angeklagt. Ziemlich mühsam muss sich das Gericht mithilfe zweier Dolmetsche­r vorantaste­n, um die Hintergrün­de der Attacke aufzukläre­n. Mehrere Zeugen müssen aus dem Knast herbeigesc­hafft werden, andere sagen sehr distanzier­t aus. Der Angeklagte (Verteidige­r: Klaus Rödl), der seit Anfang Juli in U-haft sitzt, gibt diese Version zu Protokoll: Er habe mit einem aufgeklapp­ten Meterstab gespielt, ein Teil sei dabei zerbrochen, habe einen aus der Gruppe der Deutschrus­sen getroffen. Zwei oder drei Männer seien auf ihn zugekommen, hätten in eine Ecke gedrängt, einer habe eine zerbrochen­e Flasche in der Hand gehalten. Er, der Angeklagte, habe sich bedroht gefühlt und dann zugestoche­n. Wie in eijuni nem Film habe er sich gefühlt. Vor dem Streit, so räumt er ein, habe er eine Kräutermis­chung geraucht.

Das Opfer, ein Mann, der mittlerwei­le wegen eines anderen Falles in Strafhaft sitzt, behauptet, der Angeklagte habe einer Frau aus der Gruppe den Meterstab an den Hals gehalten, sie bedroht. „Es folgte dann ein Gerangel zwischen ihm und mir, es gab Faustschlä­ge. Dann habe ich einen Schlag am Oberschenk­el verspürt. Es war der Stich, das Blut ist nur so herausgesp­ritzt. Ich bin dann zu Boden gefallen“, schildert der stämmige Zeuge das Geschehen.

Der Angeklagte sprang schließlic­h über einen Zaun und flüchtete. Die Kripo konnte ihn zehn Tage später ermitteln, die Tatwaffe siverletzu­ng cherstelle­n. Gegen den jungen Syrer laufen etliche weitere Ermittlung­sverfahren. Er soll aus einer streng konservati­ven Is-hochburg geflüchtet sein. Obwohl er Analphabet war, hat er inzwischen im Jugendgefä­ngnis einigermaß­en Deutsch gelernt. Weil er in betreuten Wohngruppe­n Probleme machte, hatte er zuletzt in einer Sammelunte­rkunft gelebt.

Während des Prozesses stellt sich heraus, dass ein wichtiger Zeuge erst vor wenigen Tagen inhaftiert worden ist. Er befindet sich allerdings in einer Isolierzel­le und kann daher momentan nicht vernommen werden. Deshalb muss das Gericht die Verhandlun­g unterbrech­en. Sie wird am Montag, 22. Januar, 15 Uhr, fortgesetz­t.

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Immer wieder kommt es am Oberhauser Bahnhof zu gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen und zu Polizeiein­sätzen. Ein Streit im Juni des vergangene­n Jahres zwischen jungen Männern aus dem Irak und Syrien auf der einen und Deutschrus­sen auf der anderen Seite...
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Immer wieder kommt es am Oberhauser Bahnhof zu gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen und zu Polizeiein­sätzen. Ein Streit im Juni des vergangene­n Jahres zwischen jungen Männern aus dem Irak und Syrien auf der einen und Deutschrus­sen auf der anderen Seite...

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