Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Was die Groko Pläne für die Zukunft bedeuten
Hintergrund Die potenziellen Koalitionäre fassen erhebliche Investitionen, aber auch Entlastungen für die Bürger ins Auge
Berlin CDU, CSU und SPD sind sich einig: „Wir wollen sichern, was gut ist, aber gleichzeitig den Mut zur Erneuerung und Veränderung beweisen“, heißt es in der Präambel des 28-seitigen Sondierungspapiers, auf das sich die Delegationen der drei Parteien nach mehr als 24-stündigen Verhandlungen am frühen Freitagvormittag geeinigt haben. Das Wahlergebnis habe gezeigt, „dass viele Menschen unzufrieden waren“. Daraus werde man „die entsprechenden Schlüsse“ziehen.
Steuern/finanzen Steuererhöhungen für Bezieher großer Einkommen, wie von der SPD gefordert, wird es nicht geben. Der Spitzensteuersatz bleibt bei 42 Prozent und bei 45 Prozent ab 250 000 Euro. Der „Soli“wird bis 2021 schrittweise um 10 Milliarden Euro gesenkt – allerdings kommt dies zunächst nur den Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen zugute. Den potenziellen Koalitionären hilft, dass der Bundeshaushalt voraussichtlich einen Überschuss von 5,3 Milliarden Euro für das Jahr 2017 aufweist. Zudem soll die Abgeltungssteuer von 25 Prozent fallen. Zinserträge sollen wieder nach dem persönlichen Steuersatz belastet werden.
Familie Das Kindergeld wird in zwei Schritten um 25 Euro pro Monat erhöht – ab 1. Juli 2019 gibt es zehn Euro mehr, ab 1. Januar 2021 noch einmal 15 Euro mehr. Entsprechend steigt der steuerliche Freibetrag. Für einkommensschwache Familien wird der Kinderzuschlag erhöht. Um das Betreuungsangebot für Familien mit Kindern zu verbessern, wird ein Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung im Grundschulalter geschaffen.
Schulen/bildung Das Kooperationsverbot wird gelockert, mit einem nationalen Bildungsrat, einer gemeinsamen Einrichtung des Bundes und der Länder, sollen die Bildungschancen von Kindern verbessert werden. Zudem will der Bund mehr Mittel bereitstellen, um die Länder bei ihren Investitionen in die Schulen zu unterstützen, nicht nur bei der baulichen Sanierung, sondern künftig auch bei Betreuungsangeboten und der Digitalisierung.
Verkehr Um Fahrverbote in den Innenstädten zu verhindern, soll der Bund mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sowie zur Förderung der Elektromobilität bereitstellen.
Klimaschutz Union und SPD bekennen sich zwar zu den Klimazielen von Paris, räumen aber indirekt ein, dass die selbst gesteckten Ziele bei der Reduktion des Co2-ausstoßes bis 2020 nicht erreicht werden können. Die Lücke soll allerdings „so schnell wie möglich“geschlossen werden, unter anderem durch einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien. Eine vorzeitige Abschaltung von Kohlekraftwerken ist nicht vorgesehen. Zudem hatte die Kritik an Union und SPD dazu gebracht, ihren Kompromiss zum Klimaschutz zu überarbeiten. Der umstrittene Satz „Das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht nicht erreicht werden“, der in einem Arbeitspapier gestanden hatte, wurde gestrichen – ebenso der Satz, dass man dieses Ziel „Anfang der 2020er Jahre“erreichen wolle. Stattdessen heißt es nun: „Die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 wollen wir so schnell wie möglich schließen.“Wie, soll eine Kommission bis Ende 2018 klären.
Arbeitsmarkt Wie bereits im bisherigen Koalitionsvertrag vereinbart, soll es künftig ein Recht auf befristete Teilzeit und somit einen Anspruch auf eine Rückkehr auf Vollzeit geben, allerdings erst bei Unternehmen mit mehr als 45 Mitarbeitern. Union und SPD bekennen sich zum Ziel der Vollbeschäftigung und wollen mit einem „ganzheitlichen Ansatz“150000 Langzeitarbeitslosen Perspektiven eröffnen. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozentpunkte gesenkt werden. Die Sozialabgaben – das war eine zentrale Forderung der Union – sollen unter 40 Prozent stabilisiert werden. Ein „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“soll den Zuzug ordnen und steuern.
Wohnungsbau Um die Wohnungsnot zu beheben, sollen 1,5 Millionen neue Wohnungen vor allem in Ballungsräumen gebaut werden. Das Wohngeld wird angepasst. Um den Mietpreisanstieg zu dämpfen, wird die Modernisierungsumlage auf die Mieter gesenkt.
Innere Sicherheit Die Zahl der Polizisten soll um 15 000 steigen, 7500 im Bund, 7500 in den Ländern. Zudem sollen 2000 neue Stellen in der Justiz geschaffen werden. Um Zonen unterschiedlicher Sicherheit zu verhindern, soll ein Musterpolizeigesetz erarbeitet werden, auch beim Umgang mit terroristischen Gefährdern soll es Standards und klare Zuständigkeitsregeln geben.
Äußere Sicherheit Die Ausgaben für die Bundeswehr sollen erhöht werden, allerdings findet sich das Zwei-prozent-ziel der Nato im Sondierungsergebnis nicht. Die Rüstungsexporte will die Koalition weiter begrenzen, die Bundesregierung wird „ab sofort“keine Ausfuhren an Länder genehmigen, die sich am Jemen-krieg beteiligen. Das betrifft vor allem Saudi-arabien.
Digitalisierung Die möglichen Koalitionspartner wollen den „flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-netzen bis zum Jahr 2025 erreichen”. Gefördert werden sollen aber nur „Ausbauschritte, die mit Glasfasertechnologie ausgebaut werden”.
Europa Die Europäische Union und die Eurozone sollen umfassend reformiert werden. Um die EU finanziell zu stärken, ist Deutschland bereit, mehr Geld in den Eu-haushalt zu zahlen.