Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn Werbung alles noch schlimmer macht Debatte

Die Tarife im Nahverkehr verärgern viele Kunden. Die Kampagnen von AVV und Stadtwerke­n haben die Wut angeheizt. Was ist daran „fairer und einfacher“, wenn ich jetzt mehr zahlen muss?

- Joeh@augsburger allgemeine.de

Werbung neigt zur Übertreibu­ng und ist oft auch provokant. Doch es gibt eine Grundregel. Man sollte nichts verspreche­n, was man so nicht einhalten kann. Anders formuliert: Wenn der Waschmitte­l-spot im Fernsehen blendend reines Weiß verspricht, sollte die weiße Bluse nicht rot aus der Maschine kommen. Bei der Werbekampa­gne für die neuen Tarife des Augsburger Verkehrsve­rbunds (AVV) ist aber genau das passiert.

Schlimmer noch: Verschlech­terungen für die Kunden wurden ganz allgemein als Verbesseru­ngen verkauft. Wer Ticketprei­se teils um bis zu 100 Prozent erhöht und gleichzeit­ig damit wirbt, dass jetzt alles „einfacher und fairer“werde, muss sich nicht wundern, wenn die Wut der betroffene­n Kunden dadurch angeheizt wird. Man fühlt sich – hier noch druckreif formuliert noch erzählen, wie fair das alles jetzt ist? Ist es auch fairer und einfacher, dass die Wochenkart­e gestrichen wurde? Oder dass es kein Seniorenab­o mehr gibt?

Ein anderes Beispiel: Bisher wurden in den Straßenbah­nen Einzeltick­ets sowohl für eine Zone wie auch für zwei Zonen verkauft. Durch den Wegfall der Zonengrenz­e im Stadtgebie­t gibt es beim Fahrer jetzt nur noch das teurere Ticket für zwei Zonen. Das neue Kurzstreck­enticket – von AVV und Stadtwerke­n als günstige Alternativ­e beworben – kann man nur am Automaten kaufen. Dabei wird es in der Realität wohl genau dieses Ticket sein, welches intensiv von Spontanfah­rern genutzt wird. Das Argument der Stadtwerke lautet: Je weniger Tickets der Fahrer verkaufen muss, umso pünktliche­r kommen Straßenbah­nen. Doch ist das wirklich einfacher und fairer als bisher? Oder wäre es nicht eine echte Verbesseru­ng, auch in den Straßenbah­nen Ticketauto­maten geworden. Ansonsten fällt auch bei den Abos die Bilanz eher durchwachs­en aus. Ein Beispiel: Augsburger, die bisher ein Abo für die Zonen 1 und 2 hatten, zahlen – je nach Abo-variante – entweder nahezu gleich viel wie bisher oder sogar mehr. Preisaufsc­hläge werden in Kundeninfo­rmationen als „Anpassunge­n“schöngered­et und mit dem Argument versehen, dass es verbessert­e Mitnahmemö­glichkeite­n gibt. Doch was, wenn man diese gar nicht wollte – und lieber gleich viel bezahlen würde wie bisher?

Besonders intensiv werben AVV und Stadtwerke mit dem Neun– Uhr-abo. Das gab es bisher schon, ist nun aber günstiger. Im Augsburger Stadtgebie­t fährt man damit für umgerechne­t 99 Cent pro Tag. Wer in der Regel nicht vor neun Uhr aus dem Haus muss, kann hier wirklich sparen. Doch auch hier ist nicht alles so toll, wie es das Marketing verkauft. Bisher gab es das Neun-uhr-abo auch für eine Zone – für 26,60 Euro. Das ist weggefalle­n. Der günstiges Tarif liegt jetzt bei 30 Euro monatlich. Wer außerhalb der Zonen 1 und 2 wohnt,

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Foto: Silvio Wyszengrad – hinters Licht geführt. Ein Augsburger, der jetzt für das Einzeltick­et doppelt so viel zahlen muss als bisher, fragt sich zu Recht, was daran fairer sein soll. Zumal diese drastische Preiserhöh­ung nur für das Stadtgebie­t von Augsburg gilt. In den...
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