Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Stillen in der Kirche? E
s ist ein Bild des Friedens und der Harmonie, das eine stillende Mutter mit ihrem Säugling abgibt. Inniger kann die Beziehung zwischen ihnen nicht sein – und auch nicht natürlicher. Man sagt, dass gestillte Kinder mit mehr Selbstvertrauen aufwachsen. Und eine Mutter, die ihrem Kind, wann immer es hungrig ist, die Brust reicht, beweist ebenfalls ein starkes Selbstbewusstsein.
Sogar zum Andachtsbild hat es die traute Szenerie gebracht. Die stillende Gottesmutter Maria bewies dem frommen Betrachter im Mittelalter schlagend, wie vollkommen Gottes Sohn wahrer Mensch geworden ist, bedürftig der Milch seiner Mutter und ihrer Zuwendung („wickelte ihn in Windeln“). Und wie sehr die Nährmutter des Erlösers herausgehoben ist unter allen Frauen („gesegnet sei die Brust, die dich nährte“).
Wollte man aus dem Bildnis der milchspendenden Maria allerdings eine Rechtfertigung für stillende Mütter in der Kirche unserer Tage ableiten, befände man sich gründlich auf dem Holzweg. Es bleibt eine Frage der Schicklichkeit. Bitte denken Sie jetzt nicht, ich sei prüde und hielte den Anblick einer entblößten mütterlichen Brust für so aufreizend, dass sündhafte Gedanken im Herzen eines Mannes aufsteigen könnten. Doch eine Kirche ist ein sakraler Raum, dem Heiligen geweiht und damit generell den alltäglichen Verrichtungen entzogen. Ein Eis zu schlecken oder eine Cola zu zischen, sind hier ein No-go.
Sicherlich fänden Mutter und Kind in der Stille einer Kirche inmitten des Lärms einer trubeligen Stadt zur erwünschten Ruhe (wenn nicht gerade eine Gruppenführung durchgeschleust wird – aber das ist ein anderes Problem). Vielleicht ist es auch nicht so kalt wie im Stall zu Bethlehem. Trotzdem: Zum Stillen besser in die Sakristei zu gehen.