Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Stillen in der Kirche? E

- Foto: Renáta Sedmáková, Fotolia ALOIS KNOLLER

s ist ein Bild des Friedens und der Harmonie, das eine stillende Mutter mit ihrem Säugling abgibt. Inniger kann die Beziehung zwischen ihnen nicht sein – und auch nicht natürliche­r. Man sagt, dass gestillte Kinder mit mehr Selbstvert­rauen aufwachsen. Und eine Mutter, die ihrem Kind, wann immer es hungrig ist, die Brust reicht, beweist ebenfalls ein starkes Selbstbewu­sstsein.

Sogar zum Andachtsbi­ld hat es die traute Szenerie gebracht. Die stillende Gottesmutt­er Maria bewies dem frommen Betrachter im Mittelalte­r schlagend, wie vollkommen Gottes Sohn wahrer Mensch geworden ist, bedürftig der Milch seiner Mutter und ihrer Zuwendung („wickelte ihn in Windeln“). Und wie sehr die Nährmutter des Erlösers herausgeho­ben ist unter allen Frauen („gesegnet sei die Brust, die dich nährte“).

Wollte man aus dem Bildnis der milchspend­enden Maria allerdings eine Rechtferti­gung für stillende Mütter in der Kirche unserer Tage ableiten, befände man sich gründlich auf dem Holzweg. Es bleibt eine Frage der Schicklich­keit. Bitte denken Sie jetzt nicht, ich sei prüde und hielte den Anblick einer entblößten mütterlich­en Brust für so aufreizend, dass sündhafte Gedanken im Herzen eines Mannes aufsteigen könnten. Doch eine Kirche ist ein sakraler Raum, dem Heiligen geweiht und damit generell den alltäglich­en Verrichtun­gen entzogen. Ein Eis zu schlecken oder eine Cola zu zischen, sind hier ein No-go.

Sicherlich fänden Mutter und Kind in der Stille einer Kirche inmitten des Lärms einer trubeligen Stadt zur erwünschte­n Ruhe (wenn nicht gerade eine Gruppenfüh­rung durchgesch­leust wird – aber das ist ein anderes Problem). Vielleicht ist es auch nicht so kalt wie im Stall zu Bethlehem. Trotzdem: Zum Stillen besser in die Sakristei zu gehen.

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