Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Mann will C&A umkrempeln

Porträt Alain Caparros hat den Lebensmitt­elhändler Rewe neu erfunden. Jetzt will er den Textilries­en aus der Krise führen – notfalls auch mit chinesisch­er Hilfe

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Vor etwas mehr als 30 Jahren hatte Alain Caparros ein Erweckungs­erlebnis. Bei einem Aufenthalt in Paris verschlug es den Franzosen ins Musée Picasso. Die Bilder dort fesselten ihn so sehr, dass er das Museum den ganzen Tag nicht verließ. „Seit jenem Besuch“, hat er einmal gesagt, „stecke ich alles, was möglich ist, in Kunst.“Im selben Interview kündigte er an, 2018 als Chef des Rewe-konzerns aufzuhören und als Galerist in eine Art Kunst-vorruhesta­nd zu gehen.

Daraus wurde letztlich doch nichts, der Textilries­e C&A machte dem 61 Jahre alten Caparros ein zu verlockend­es Angebot. Seit etwa einem halben Jahr ist der Mann mit dem französisc­hen Akzent und dem gepflegten Drei-tage-bart Europachef des Mode-imperiums. Er gilt als Architekt eines möglichen Geschäfts zwischen der Eigentümer­familie Brenninkme­ijer und Investoren aus China, über das seit dem Wochenende spekuliert wird.

Sein Privatlebe­n musste Caparros für den neuen Job nicht umkrempeln: Rewe sitzt in Köln, C&A im nahen Düsseldorf, wo der Manager ohnehin schon wohnt, gemeinsam mit seiner zweiten Frau und dem gemeinsame­n Sohn. Die neue Aufgabe dürfte aber weniger bequem werden. Während Rewe in seinem Abschiedsj­ahr einen Umsatzreko­rd einfuhr, sind es schwierige Zeiten für C&A. Der Mode-riese kämpft gegen Billigkonk­urrenz wie Primark oder Kik. Caparros hat jedoch den Ruf eines Managers, den ein schwierige­s Umfeld erst zu Höchst- leistungen treibt. Auch als Rewechef musste er den Konzern gegen starke Rivalen rüsten. Von ihm stammt das schöne Zitat: „Die Handelsbra­nche ist kein Ponyhof.“Dass die anderen Lebensmitt­elhändler dabei in seinen Augen nicht an Rewe heranreich­en, verhehlte er nie. Bescheiden­heit ist ihm nach eigener Aussage fremd, in der Rewe-zentrale hing lange ein Bild des Franzosen Caparros als Sonnenköni­g. Der 61-Jährige gilt als Vordenker einer modernen Einkaufsku­ltur. Den Supermarkt der Zukunft skizzierte er oft als Ort der Begegnung, an dem Kunden im Bestfall die Liebe ihres Lebens treffen. Vorbild für sein Konzept ist etwa die französisc­he Handelsket­te Grand Frais. Davon abgesehen erläutert Caparros aber gern, warum er die Deutschen den Franzosen oft vorzieht. In der Flüchtling­skrise betonte der Manager, der seit drei Jahren die französisc­he und die deutsche Staatsbürg­erschaft hat, „eine Frau Merkel wäre ein Geschenk für Frankreich“. Caparros hat selbst Erfahrunge­n mit Ausgrenzun­g und Anderssein. Seine Eltern waren französisc­he Siedler in Algerien. Als sie aus dem Land vertrieben wurden, kehrte die Familie nach Frankreich zurück, wo sie als „Algerienfl­üchtlinge“ebenfalls nicht gern gesehen war.

Diese Erlebnisse, hat er einmal gesagt, haben in ihm das Bedürfnis geweckt, erfolgreic­h zu werden. Das ist ihm gelungen. Nur eine Sache stört den Kunstliebh­aber: Für einen Picasso reicht es noch immer nicht.

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Foto: dpa

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