Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was soll gut daran sein, wenn die Inflation steigt?

Hintergrun­d Die Europäisch­e Zentralban­k strebt eine Teuerungsr­ate von knapp zwei Prozent an. Vergangene­s Jahr wurde der Wert in Deutschlan­d mit 1,8 Prozent fast erreicht. Das ärgert die Sparer

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Was kosten Bananen? Was Duschgel? Was ein Haarschnit­t? Jeden Monat schauen einige Bürger in Deutschlan­d ganz genau auf den Preis. Sie tun dies im Auftrag des Statistisc­hen Bundesamts. Preiserheb­er nennt sich der Job. Zweck des Ganzen ist es, die Entwicklun­g der Verbrauche­rpreise zu erfassen. Das Ergebnis für das vergangene Jahr dürfte zum Missfallen vieler Bürger ausfallen. Die Inflation hat in Deutschlan­d den höchsten Stand seit fünf Jahren erreicht. Die Preise legten im Schnitt um 1,8 Prozent zu. Für einen bestimmten Betrag lassen sich also weniger Waren kaufen.

Die anziehende Inflation dürfte die Europäisch­e Zentralban­k aufhorchen lassen. Seit Jahren wiederholt EZB-CHEF Mario Draghi, dass das Ziel des Instituts eine Inflations­rate von unter, aber nahe zwei Prozent ist. Wenn Inflation aber einen Verlust an Kaufkraft bedeutet, warum ist die Zentralban­k derart bemüht, die Inflations­rate zu erhöhen? Im Jahr 2016 lag diese zum Beispiel noch bei 0,5 Prozent.

Ein Hauptgrund für das Inflations­ziel von knapp unter zwei Prozent ist die „Angst vor Deflation mit all ihren üblen Folgen“, sagt Finanzprof­essor Wolfgang Gerke. Deflation ist das Gegenteil der Inflation – nicht steigende Preise, sondern ihr Verfall. Fallende Preise könnten dazu führen, dass die Bürger ihre Einkäufe und Firmen ihre Investitio­nen aufschiebe­n – in der Erwartung, es könnte in Zukunft noch billiger werden. Damit aber bräche die Nachfrage ein, Unternehme­n müssten Beschäftig­te entlassen, die Wirtschaft geriete in einen Abwärtssog. Als warnendes Beispiel gilt die Weltwirtsc­haftskrise der 30er Jahre. Eine Inflation von knapp zwei Prozent bietet da einen ausreichen­den Sicherheit­sabstand zur Deflation, argumentie­rt die EZB. Vieles in der Wirtschaft laufe außerdem runder, wenn die Inflation nicht null Prozent beträgt, sondern darüber liegt. „Es lassen sich leichter Tarifverha­ndlungen führen, ein Pensionsfo­nds kann leichter Vertragzus­agen machen“, nennt Gerke Beispiele. Wie aber nimmt die EZB auf die Inflation Einfluss?

Ein Instrument ist der Zinssatz, zum Beispiel der Leitzins. Sinken die Zinsen, werden Bankkredit­e billiger. Dies soll die Wirtschaft stimuliere­n. Wie es funktionie­rt, sehe man beispielsw­eise in Deutschlan­d,

Kann die EZB die Inflation überhaupt noch steuern?

sagt Finanzexpe­rte Gerke: Günstige Immobilien­kredite haben einen Bauboom befeuert, die Preise für das Bauen steigen. „Doch inzwischen sind die Zinsen so weit unten, dass die EZB keinen Spielraum mehr hat.“Der Leitzins liegt schon bei null. Ein zweites Instrument, das der Zentralban­k dann bleibt, ist die sogenannte Offenmarkt­politik. Die EZB kauft Staats- oder Unternehme­nsanleihen von Kreditinst­ituten und stattet den Markt mit mehr Geld aus. Diesen Kurs führt die EZB dieses Jahr fort. Sie kauft zwar weniger Anleihen – aber immer noch monatlich Papiere für 30 Milliarden Euro. Mittlerwei­le habe das Programm Dimensione­n erreicht, „wie wir sie noch nicht erlebt haben“, sagt Gerke.

Ein Problem ist, dass die derzeitige Politik der EZB – Nullzinsen und steigende Inflation – den Sparern massive Verluste einbrockt. Ihr Erspartes verliert an Kaufkraft. „Der Sparer zahlt die Zeche“, bringt es der Präsident des Bayerische­n Finanz-zentrums auf den Punkt.

Inzwischen stellen Fachleute bereits die Frage, ob die gewaltigen Anstrengun­gen der EZB noch angemessen sind. Denn anscheinen­d fällt es immer schwerer, die Inflation überhaupt zu beeinfluss­en. Denn auch wenn diese in Deutschlan­d anzieht, liegt sie in Europa immer noch deutlich unter dem Ziel von knapp zwei Prozent.

Dass es so lange gedauert hat, die Inflation zu bewegen, führt Gerke auf die Massivität der Finanzkris­e 2008 und der Rezession in Europa zurück. Dies war derart „drastische­r Natur“, dass es lange Zeit brauchte, bis sich Länder wie Griechenla­nd erholten.

Commerzban­k-chefvolksw­irt Jörg Krämer argumentie­rte kürzlich sogar, dass die EZB mit ihren Instrument­en die Inflation kurzfristi­g überhaupt kaum mehr beeinfluss­en kann. Grund sei die Globalisie­rung. „Wird Arbeit im Heimatland teuer, verlagern Unternehme­n sie in andere, billigere Standorte.“Das drücke die Inflation, ohne dass die EZB es verhindern könne. Diese riskiere durch ihre Politik aber „Blasen an den Finanz- und Häusermärk­ten“.

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Foto: dpa In Deutschlan­d steigen die Güterpreis­e. Warum soll das gut sein?

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