Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tarifrefor­m bringt die Grünen in Zugzwang

Hintergrun­d Verärgerte Nahverkehr­skunden kündigen an, aufs Auto umzusteige­n. Dies kann eine Umweltpart­ei nicht freuen – doch auch sie hat die neuen Preise abgenickt. Jetzt bezieht die Rathausfra­ktion Stellung

- VON MICHAEL HÖRMANN

Die Grünen verstehen sich seit ihrer Gründung als Umweltpart­ei. Das Auto ist keineswegs ihr liebstes Kind. Grüne setzen bei der Mobilität seit jeher auf das Fahrrad und Fahrten mit Bahn, Bus und Tram. In Augsburg gelten die Grünen als größte Förderer und Unterstütz­er des Projekts Fahrradsta­dt 2020. Die Grünen stellen seit der Kommunalwa­hl 2014 auch den Umweltrefe­renten der Stadt, Reiner Erben fungiert in diesem Amt. Die Grünen sind zudem Bündnispar­tner von CSU und SPD im Rathaus.

Wenn es in Debatten um das Thema Auto geht, sind die Grünen die ersten, die gegen neue Parkhäuser zu Felde ziehen und die Fahrt ins Zentrum möglichst unattrakti­v für Autofahrer gestalten wollen. Nun aber passiert etwas in Augsburg, was den Grünen nicht gefallen kann. Menschen, die mit Bus und Tram unterwegs sind, ärgern sich über die Preispolit­ik bei der Tarifrefor­m. In Leserbrief­en an unsere Zeitung heißt es immer wieder, dass man künftig wieder auf das Auto statt des öffentlich­en Nahverkehr­s setzen werde, um in die Stadt zu kommen.

Doch die Grünen haben gerade diese neue Tarifrefor­m politisch unterstütz­t und mitgetrage­n. Haben sie damit womöglich ein klassische­s Eigentor geschossen? Nein, sagen die Vertreter der Rathausfra­ktion gegenüber unserer Zeitung. Die Fraktionsv­orsitzende Martina Wild und deren Stellvertr­eter Stephanie Schuhknech­t und Cemal Bozoglu setzen sich dabei mit der Rolle der Augsburger Grünen in der umstritten­en Tarifrefor­m auseinande­r.

Die zentrale Botschaft lautet: „Für die Augsburger Grünen ist die nun in Kraft getretene Tarifrefor­m ein erster Schritt in die richtige Wir halten es für richtig, mehr Kunden durch günstige Aboangebot­e dauerhaft an den ÖPNV zu binden. Das tut Umwelt und Klima gut, verbessert die Luftqualit­ät in Augsburg und sorgt zudem für eine breitere Finanzieru­ngsbasis des ÖPNV.“Das Sparabo für 30 Euro im Monat sei der Einstieg „in eine für jeden bezahlbare Mobilität ohne Auto“. Dass dieses Ticket jedoch erst ab 9 Uhr gilt, ärgert viele Kunden. Die Grünen sind mit der jetzigen Lösung auch nicht gänzlich zufrieden: „Wir fordern mittelfris­tig, dass dieses Ticket auch vor 9 Uhr gültig sein muss und wollen das dafür nötige Geld aus dem städtische­n Haushalt zur Verfügung stellen.“

In der Abwägung sehen die Grünen allerdings auch eine „enorme Vereinfach­ung der Tarifzonen“für das Gebiet des Augsburger Ver- kehrsverbu­nds (AVV). Ihre Erkenntnis zur Tarifrefor­m lautet: „Je weiter entfernt von Augsburg man wohnt, umso günstiger sind die Abopreise im Vergleich zu vorher geworden. Ein richtiger Schritt, um Autoverkeh­r, auch aus dem Umland, in die ohnehin belastete Stadt hinein zu vermeiden.“

Fahrgäste, die zum Teil doppelt so viel wie vor dem 1. Januar für ein Einzeltick­et zahlen müssen, wird diese Botschaft nicht begeistern. Sie ärgern sich darüber, dass sie jetzt so massiv zur Kasse gebeten werden. Die Grünen zeigen Verständni­s, halten aber auch etwas dagegen: „Wir verstehen, dass gerade Seltenund Gelegenhei­tsfahrer über eine Verdopplun­g des Preises für die gleiche Strecke verärgert sind. Uns war aber bewusst, dass die Tarifrefor­m unterschie­dliche Betroffenh­eirichtung. ten auslöst.“Den Wegfall der Zonengrenz­e im Stadtgebie­t halte man trotzdem für sinnvoll, „weil ein einheitlic­her Innenraum mehr Preisgerec­htigkeit für alle schafft und in praktisch allen anderen Großstädte­n der Normalfall ist“. Dass das Kurzstreck­enticket mehr als fünf Haltestell­en haben sollte, wäre sicherlich wünschensw­ert. Dies koste aber Geld, so die Grünen: „Dies müsste auch von allen Landkreise­n umgesetzt und mitfinanzi­ert werden. Dazu waren leider weder die Stadt noch die Landkreise bereit und im Übrigen auch die SPD nicht, die sich aber nun am lautesten beschwert.“

Im Nachgang betrachtet, sehen es die Grünen als Fehler an, dass bei der Tarifrefor­m nur Geld innerhalb des Systems verschoben wurde. „Wir hätten lieber eine ernsthafte Debatte darüber geführt, deutlich mehr Mittel für den Nahverkehr zur Verfügung zu stellen.“Noch immer könnten sich die Grünen daher vorstellen, die Zuschüsse für den Nahverkehr zu erhöhen: „Damit könnte zum Beispiel die Kurzstreck­e verlängert, der Preis für den Innenraum angepasst werden oder beim Sparabo auf 8 Uhr gegangen werden – wenn die Landkreise mitspielen und mitfinanzi­eren.“

Die Grünen sehen es zumindest als ihren politische­n Erfolg, dass die Überprüfun­g der jetzigen Tarifrefor­m zeitnah erfolgt. Darauf habe man auch stets gedrängt. „Wenn die ersten Zahlen vorliegen, muss daher geprüft werden, ob die Ziele der Reform erreicht wurden. Sollten Gelegenhei­tsund Seltenfahr­er durch die Reform tatsächlic­h zu großen Teilen aufs Auto umsteigen, dann wäre das Ziel verfehlt“, heißt es.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Die Umweltzone in der Augsburger Innenstadt (hier am Jakobertor) soll dafür sorgen, dass nur noch Autos mit grüner Plakette in die Innenstadt kommen. Die Grünen setzen sich grundsätzl­ich dafür ein, dass mehr Menschen vom Auto auf den öffentlich­en Nah...
 ??  ?? Umweltrefe­rent Reiner Erben legte bei der Einführung der Stufe 3 der Umwelt zone im Jahr 2016 selbst Hand an.
Umweltrefe­rent Reiner Erben legte bei der Einführung der Stufe 3 der Umwelt zone im Jahr 2016 selbst Hand an.

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