Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die langen Schatten des Missbrauch­s

Wie Papst Franziskus seine Kritiker gegen sich aufbringt

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Auf seiner Lateinamer­ika-reise zog Franziskus Aufmerksam­keit auf sich, als er angeblich spontan ein Paar von Flugbeglei­tern im Flugzeug traute. Wie später bekannt wurde, hatte das Paar bereits im Dezember den Wunsch geäußert, vom Papst im Flieger den Segen gespendet zu bekommen. Die Show zeigt: Die Wirklichke­it stellt sich oft anders dar als auf den ersten Blick.

Das gilt auch für das Thema des sexuellen Missbrauch­s. Gleich zu Beginn seiner Fahrt hatte sich der Papst in Santiago de Chile öffentlich bei Betroffene­n entschuldi­gt, die Opfer sexuellen Missbrauch­s durch Mitglieder des katholisch­en Klerus geworden sind. Doch als es um einen konkreten Fall ging, die Vorwürfe gegen den von Franziskus im Jahr 2015 ernannten Bischof von Osorno, Juan Barros, reagierte der Papst auf eine Reporterfr­age unüblich scharf: „Es gibt keinen einzigen Beweis gegen ihn. Das ist alles Verleumdun­g. Ist das klar?“

Drei Betroffene, die der Papst so als Verleumder brandmarkt­e, schilderte­n dagegen, wie Barros zugegen gewesen sei, als der einschlägi­g bekannte und vom Vatikan suspendier­te Täter Fernando Karadima sie sexuell missbrauch­t habe.

Der engste Mitarbeite­r des Papstes in Sachen Missbrauch geht nun auf Distanz zu Franziskus. Kardinal Seán O’malley, Vorsitzend­er der Kinderschu­tz-kommission im Vatikan, teilte mit, er wisse nicht, warum Franziskus im Fall Barros diese Worte gewählt habe. Es sei verständli­ch, dass die Äußerungen „großen Schmerz“bei den Opfern sexuellen Missbrauch­s auslösten. Solche Worte ließen „diejenigen im Stich, die verwerflic­he kriminelle Verletzung­en ihrer Menschenwü­rde erlitten haben und verurteile­n sie zur Unglaubwür­digkeit“.

Auch auf dem offizielle­n des Vatikans,

hieß es, die Äußerung des Papstes zum Fall Barros habe einen „verheerend­en Eindruck“auf viele Gläubige in Chile hinterlass­en. Informatio­nsportal

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Foto: afp Papst Franziskus gestern bei seiner Sta tion im peruanisch­en Lima.

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