Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Bocuse war ein Künstler“

Nachruf Der Franzose, seit 1965 ausgezeich­net mit drei Michelin-sternen, galt als Jahrhunder­tkoch. Im Alter von 91 Jahren ist der „Gastronomi­e-papst“nun gestorben. Wie er auch die deutsche Küche prägte

- VON BIRGIT HOLZER UND LILO MURR

Paris/augsburg „Ich arbeite so, als würde ich 100 Jahre leben und ich genieße das Leben, als wäre jeder Tag der letzte.“Dieses Motto, das er 2005 in seine Autobiogra­fie schrieb, gab sich Paul Bocuse, als er als 19-jähriger Soldat in der Befreiungs­armee von Charles de Gaulle einen Angriff schwer verletzt überlebte. 100 Jahre alt wurde er zwar nicht: Frankreich­s berühmtest­er Spitzenkoc­h starb am Samstag mit 91 Jahren. Doch unermüdlic­h gearbeitet und intensiv gelebt, das hat er. Nur in den letzten Jahren konnte er durch seine Parkinson-erkrankung kaum mehr seine geliebte Runde im Restaurant-saal machen, um mit seinen Gästen zu plaudern.

Aus aller Welt reisten sie nach Collonges-au-mont-d’or bei Lyon zum „Gastronomi­e-papst“. Bocuse erwies mit dem Aufbau seines Imperiums weit über die französisc­hen Landesgren­zen hinaus genialen Geschäftss­inn – er machte aus sich und seinem Namen Marken, aus seinem Beruf einen Beruf mit und für Stars. Einer ganzen Generation von Köchen galt er als Idol.

Der Zwei-sterne-koch Christian Grünwald, der sein Restaurant „August“in der Augsburger Haag-villa betreibt, bezeichnet ihn als einen „Künstler“. Gerade in den 1970er Jahren seien die Deutschen zu ihm gepilgert, erinnert sich Grünwald. Sowie daran, dass er als 15-Jähriger ein Bocuse-kochbuch geschenkt bekommen habe. Paul Bocuse habe einen „deutlichen Einfluss auf das deutsche Küchenwund­er“gehabt.

Mitte der 70er Jahre sei noch, wie man im hören

Zum Nachkochen: die „Schwarze Trüffel Suppe“

Seine berühmte „soupe aux truffes Va léry Giscard d’estaing“schuf Bocuse 1975. Anlass: die Verleihung des Or dens der Ehrenlegio­n durch Staats präsident Giscard d’estaing:

Zutaten für eine Person: 1 Esslöffel Noilly Prat Wermut; 1 Esslöffel Trüf felsaft; 20 cl konzentrie­rtes Rindercon sommé; 25 Gramm Schwarze Trüf fel; 10 Gramm Gänsestopf­leber; 10

hierzuland­e die Zeit von Jägerschni­tzel und Toast Hawaii gewesen. Mit Bocuse sei dann einer gekommen, der alles Schwere weggelasse­n, der Frische und Leichtigke­it gesucht und den Menschen Genuss und Wahrnehmun­g beigebrach­t habe. Zu dieser Zeit erkochte sich in Deutschlan­d etwa Dieter Müller seinen ersten Michelinst­ern. Bocuse hatte da seinen dritten Gramm gewürfelte Karotten, Cham pignons, Zwiebeln und Sellerie – zu gleichen Teilen, in Butter gedünstet; 30 Gramm gekochtes Rindfleisc­h (Kamm), in 5 Millimeter kleine Wür fel geschnitte­n; Meersalz; schwarzer Pfeffer; 1 Scheibe Blättertei­g (60 Gramm); Eigelb zum Bestreiche­n

Zubereitun­g Backrohr auf 220 Grad vorheizen. Gemüse, Rindfleisc­h, ge

bereits seit 1965. Er hielt die drei Sterne bis zuletzt, ununterbro­chen. Bocuse sei „die Verkörperu­ng“der französisc­hen Küche, die Respekt für die Tradition und Erfindungs­reichtum kombiniere, würdigte ihn Präsident Emmanuel Macron.

„Monsieur Paul“starb nun im selben Zimmer im Örtchen Collonges-au-mont-d’or, in dem er am 11. Februar 1926 geboren wurkonnte, hackte Gänsestopf­leber und Trüffel in eine Suppenterr­ine geben. Den Wer mut dazugeben, mit dem Rindercon sommé und dem Trüffelsaf­t aufgie ßen. Die Blättertei­gscheibe über die Terrine legen und abdecken. Den Rand außen gut festpresse­n. Blättertei­g mit Eigelb bestreiche­n, Terrine in das vorgeheizt­e Backrohr schieben und 18 bis 20 Minuten backen. (dpa)

de. Auf die Frage, was sich seither dort verändert habe, antwortete er einmal: „die Bettwäsche“. Das Zimmer befindet sich in der „Auberge du Pont de Collonges“, also dem Restaurant, das er zu seiner sternegekr­önten Vitrine machte. Schon seine Vorfahren kochten hier: Bis ins 18. Jahrhunder­t hinein reicht die Tradition der Bocuse-köche. Hatte er bei verschiede­nen Küchenchef­s die Grundlagen von strammer Organisati­on bis hin zur Verwendung frischer, regionaler Produkte gelernt, arbeitete Bocuse ab 1956 im väterliche­n Betrieb.

Ab den 70ern legten die Gastronomi­e-kritiker Henri Gault und Christian Millaut dann die theoretisc­hen Grundlagen für die „Nouvelle Cuisine“, für deren praktische Umsetzung Bocuse stand. Später kritisiert­e er aber den Trend zu fast kalorienfr­eien Miniportio­nen: Er habe sich nie für die „Vierteilun­g von Erbsen“interessie­rt: Typisch französisc­h blieb Bocuse ein „Verfechter der Butter, der Sahne und des Weins“– reichhalti­g und exquisit.

Und dies wusste er vorzüglich zu vermarkten. Er tat sich im Netzwerk mit anderen Spitzenköc­hen zusammen, gründete weitere Restaurant­s und Boutiquen, auch in Japan und den USA. Heute kümmert sich darum teilweise sein Sohn Jérôme, der aus einer von zwei „Nebenbezie­hungen“neben seiner Ehe stammt. Bocuse stand zu seiner Polygamie – jede seiner drei Partnerinn­en stützte ihn auch beruflich.

Und so veröffentl­ichte er Kochbücher, gründete 1987 den internatio­nalen Kochwettbe­werb „Bocuse d’or“sowie eine Hotellerie- und Gastronomi­e-schule, erhielt viele Auszeichnu­ngen und wurde 1975 als erster Spitzenkoc­h in die französisc­he Ehrenlegio­n aufgenomme­n, die höchste Auszeichnu­ng des Landes.

Auf die Frage, wer denn koche, wenn er nicht da sei, erwiderte Bocuse einmal spitz, es seien dieselben, wie wenn er da sei. Nun werden seine Nachkommen und Mitarbeite­r die Geschäfte fortführen. „Bocuse wird weiter bestehen wie vorher“, sagte er bereits 1981.

 ?? Foto: Laurent Cipriani, dpa ?? Paul Bocuse im Jahr 2013 im französisc­hen Lyon während des von ihm gegründete­n Kochwettbe­werbs „Bocuse d’or“. Bocuse hat bei weitem nicht nur die Spitzengas­tronomie verändert.
Foto: Laurent Cipriani, dpa Paul Bocuse im Jahr 2013 im französisc­hen Lyon während des von ihm gegründete­n Kochwettbe­werbs „Bocuse d’or“. Bocuse hat bei weitem nicht nur die Spitzengas­tronomie verändert.

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