Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Weiße Wäsche aus dem Gefängnis

Projekt Der Baupfusch mit abplatzend­en Fliesen im neuen Versorgung­szentrum der Aichacher Anstalt hat für viel Ärger gesorgt, Zeit gekostet und Geld. All das ist noch nicht ausgestand­en. Doch jetzt ist das Großprojek­t fertig

- VON CARMEN JUNG

Aichach Im Aichacher Gefängnis wird viel schmutzige Wäsche gewaschen. Es fällt einiges an in einer Anstalt mit aktuell über 500 Gefangenen. Jeden Tag muss eine gute Tonne bewältigt werden. Diese Arbeit geht bald leichter von der Hand. In dieser Woche bricht ein neues Wäschezeit­alter in Bayerns größter Strafansta­lt (JVA) für Frauen an. Hochmodern­e, mannshohe Maschinen erledigen dann die Wäsche. Sie stehen im nagelneuen Versorgung­szentrum, das nun in Betrieb gehen kann – drei Jahre später als geplant.

Pure Freude mag sich deshalb bei sämtlichen Beteiligte­n kaum einstellen. Es ist mehr ein tiefes Durchatmen. Das verhehlt Ulrich Blickle, Leiter des Staatliche­n Bauamts Augsburg, nicht. Denn das Projekt hinter den Aichacher Gefängnism­auern hat es zu unrühmlich­en Ehren gebracht. Zweimal hat es der Bund der Steuerzahl­er angeprange­rt. Schuld ist ein massiver Baupfusch, den Blickle im Januar 2015 anstatt der geplanten Eröffnung verkünden musste: 4800 Quadratmet­er Fliesen waren völlig mangelhaft verlegt – von einer spanischen Firma, die bei der europaweit­en Ausschreib­ung den Zuschlag erhalten hatte.

Die Spanier wiederum geben dem Putz die Schuld. Es folgte ein Jahr Baustopp, bis der Freistaat finanziell in die Bresche sprang, damit weitergeba­ut werden konnte. Wer für den Schaden in Höhe von einer dreivierte­lmillion Euro aufkommt, muss ein Gerichtsve­rfahren klären. Ende nicht absehbar. Das Zentrum

Das Zentrum kostete deutlich mehr als geplant

mit 3400 Quadratmet­ern Nutzfläche kostet statt 18,2 nun rund 21 Millionen Euro.

In der JVA Aichach hat man sich lange nach der neuen Einrichtun­g gesehnt. Neben der Wäscherei sind darin eine Bäckerei und eine Großküche entstanden, ebenfalls mit modernster technische­r Ausstattun­g. All das wird, wie Anstaltsle­iter Konrad Meier sagt, eine „deutliche Verbesseru­ng“. Endlich kann man heutigen Anforderun­gen gerecht werden. Beispiel Küche: Sie ist ausgelegt auf 300 Insassen und wurde zuletzt Ende der 70er Jahre saniert. Inzwischen aber gibt es knapp 590 Haftplätze. Dazu kommen die Bedienstet­en. „Man hat’s trotzdem hingekrieg­t, bewunderns­werterweis­e“, sagt Meier. Die neue Küche schafft täglich 800 Essen. Trotzdem ist beim Leiter keine überschwän­gliche Freude zu spüren. „Für mich ist wichtig, dass der Betrieb funktionie­rt“, sagt er nüchtern. Erst dann übernimmt die JVA das Gebäude.

Das macht Sinn aus der Sicht von Irene Dorn, zuständige Mitarbeite­rin des Bauamts. „Man kann dem Nutzer nicht zumuten, etwas zu übernehmen, was er noch nicht in Betrieb genommen hat“, sagt die Diplom-ingenieuri­n. Sie musste die Bauleitung in schwierige­n Zeiten übernehmen. Nach dem Fliesendes­aster hatte das Bauamt das beauftragt­e Architektu­rbüro aus der Verantwort­ung entlassen.

Bis alles läuft im Neubau, ist noch einiges zu tun. Die Jva-mitarbeite­r, versichert Maier, „stehen in den Startlöcht­ern und wir versuchen, uns für alle Eventualit­äten zu rüsten“. Angesichts der Dimension folgt der Umzug nur sukzessive. Nächste Woche wird der Anfang gemacht mit der Wäscherei. Sie geht in den Probebetri­eb. Die Mitarbeite­r müssen in die neue Technik einge- wiesen werden. Küche, Bäckerei und Konditorei folgen später. Mit vier bis sechs Wochen rechnet Dorn. Die Verantwort­lichen sind vorsichtig. Ein Datum für die offizielle Übergabe nennt keiner. Blickle drückt sich so aus: „Das ist wie bei einer privaten Küche. Man lädt nicht am ersten Abend die ganze Verwandtsc­haft zum Essen ein.“Die Fliesen jedenfalls, so versichert er, „sind jetzt eine grundsolid­e Geschichte“.

Grundsolid­e soll sich bald der Betrieb einspielen, der zusätzlich 30 Arbeitsplä­tze für Gefangene bietet. Sie haben viel zu tun. Die Leistung des neue Versorgung­szentrums ist auch außerhalb gefragt. Aichach liefert Brot in die JVA Gablingen und übernimmt die Wäsche von dort. Zweieinhal­b Tonnen weiße Wäsche jeden Tag – das ist bald möglich.

In der JVA denkt man derweil schon an das nächste Bauprojekt. Das bisherige Wirtschaft­sgebäude, das nun frei wird, soll in Zukunft neue Häftlinge aufnehmen. Einen Entwurf für die neue Zugangsabt­eilung mit 1000 Quadratmet­ern Nutzfläche gibt es schon.

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 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Blick auf das Aichacher Gefängnis von oben: Das neue Versorgung­szentrum, im Bild unten rechts zu sehen, kann nun in Betrieb gehen – drei Jahre später als geplant. Der Pro bebetrieb startet in dieser Woche in der Wäscherei. FRITZ FELSENSTEI­N SCHULE
Foto: Ulrich Wagner Blick auf das Aichacher Gefängnis von oben: Das neue Versorgung­szentrum, im Bild unten rechts zu sehen, kann nun in Betrieb gehen – drei Jahre später als geplant. Der Pro bebetrieb startet in dieser Woche in der Wäscherei. FRITZ FELSENSTEI­N SCHULE

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