Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gabriel in Erklärungs­not

Rüstung Die Türkei greift die Kurden in Syrien mit deutschen Panzern an. Das sorgt in Berlin für eine Debatte über Waffen in den falschen Händen

- Foto: afp

Berlin Es ist eine äußerst unangenehm­e Angelegenh­eit für die Bundesregi­erung. Auf Bildern ist zu sehen, wie Kampfpanze­r vom Typ „Leopard 2A4“aus deutscher Produktion unter türkischer Flagge in Syrien einrollen. Die türkische Armee nutzt sie für ihre Offensive gegen die kurdische Ypg-miliz, die von der Bundesregi­erung äußerst kritisch gesehen wird. Nicht zuletzt Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) gerät in Erklärungs­not.

Warum hat die Türkei überhaupt so viele „Leopard 2“-Panzer?

Die militärisc­he Kooperatio­n zwischen Nato-partnern inklusive Waffenlief­erungen ist zunächst einmal eine ganz normale Angelegenh­eit. Der Export der „Leos“begann vor 35 Jahren. 1982 und 1984 wurden die ersten 71 „Leopard 1“als „Nato-verteidigu­ngshilfe“an die Türkei geliefert. 320 weitere folgten zwischen 1990 und 1993. Die Rüstungshi­lfe erfolgte ausschließ­lich zur Landesvert­eidigung und damit auch zur Verteidigu­ng des Nato-bündnisgeb­iets. Das wurde damals auch in einer sogenannte­n Endverblei­bsklausel festgeschr­ieben. Die Nutzung der Panzer zu anderen Zwecken – etwa zu einer Offensive wie der jetzt in Syrien – wurde der türkischen Armee untersagt.

Und für die später gelieferte­n „Leopard 2“-Panzer gilt etwas anderes?

Ja. Zwischen 2006 und 2011 lieferte Deutschlan­d 354 der deutlich moderneren „Leopard 2A4“. In dem Ende 2005 in den letzten Tagen der rot-grünen Bundesregi­erung abgeschlos­senen Abkommen zwischen den Verteidigu­ngsministe­rien beider Länder wird der Türkei nur untersagt, die Panzer ohne Zustimmung der Bundesregi­erung an Dritte zu verschenke­n oder zu verkaufen. Weitere Einschränk­ungen wurden nicht festgelegt.

Hat die Bundesregi­erung keinerlei Einflussmö­glichkeit auf den Einsatz gegen die kurdische Ypg-miliz?

Rein rechtlich gesehen nicht. Politisch schon. Die Türkei wünscht sich von der Bundesregi­erung eine Aufrüstung der Panzer mit Minenschut­z, weil beim ersten „Leopard 2“-Einsatz im Kampf gegen die Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS) mehrere Panzer zerstört wurden. Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) hat seinem Amtskolleg­en Mevlüt Cavusoglu vor zwei Wochen eine Prüfung zugesagt und klargemach­t, dass er selbst dafür wäre. Vor dem Hintergrun­d der Offensive könnte er seine Meinung aber ändern. Gabriel telefonier­te am Montag mit Cavusoglu. Inwieweit die „Leos“dabei Thema waren, ist nicht bekannt.

Wird auch auf der anderen Seite mit deutschen Waffen gekämpft?

Die kurdische YPG verfügt nach eigenen Angaben nicht über Waffen aus Deutschlan­d. Die Bundesrepu­blik hat unter anderem 20000 Sturmgeweh­re sowie Panzerabwe­hrraketen vom Typ „Milan“und Panzerfäus­te an die kurdischen Peschmerga-kämpfer im Nordirak geliefert, um sie in ihrem Vorgehen gegen den IS zu unterstütz­en. Mit den „Milan“-raketen könnte die Miliz theoretisc­h die „Leopard“-panzer bekämpfen. Die Peschmerga im Irak und die YPG in Syrien haben aber ein angespannt­es Verhältnis.

Gibt es denn für die Lieferung an die Peschmerga eine „Endverblei­bsklausel“?

Ja. Die Waffen dürfen nur im Kampf gegen den IS und zur Verteidigu­ng der Zivilbevöl­kerung genutzt werden. Trotzdem tauchten einige Gewehre auf Schwarzmär­kten in der Region auf. Die Bundesregi­erung leitete daraufhin eine Untersuchu­ng ein und stellte fest, dass die Verluste minimal sind. Michael Fischer und

Can Merey, dpa

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Verwehrt Sigmar Gabriel den Türken den neuesten Rüstungswu­nsch.

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