Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Abschied von Klischees nötig

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WVON CHRISTINA HELLER ill man den Puls eines Handwerker­s nach oben treiben, reicht eine Frage: Wie geht es dem alten Handwerk in modernen Zeiten? Eines ist die Branche in den Augen der Beschäftig­ten nicht: alt. Orthopädie-techniker etwa vermessen die Körper ihrer Patienten inzwischen mittels Scanner und nicht mehr per Gips-abguss. Die Technik hat in vielen Gewerken längst Einzug gehalten.

Nur außerhalb der Berufe weiß das kaum jemand. Schon der Begriff „Handwerk“steht in den Augen vieler für eine Tätigkeit, die mit der Hand ausgeübt wird.

Deshalb versuchen die Handwerksk­ammern seit längerem, diese Vorstellun­g zu ändern. Das ist wichtig, um Nachwuchs zu finden. Welcher Jugendlich­e, der in jeder freien Sekunde zum Smartphone greift, will schon einen Beruf erlernen, der gar nichts mit Digitalisi­erung zu tun hat. Kaum einer, folgern die Funktionär­e richtig. Um der Branche also den Nachwuchs zu sichern, heben sie die Veränderun­gen hervor. Wichtig ist, dass das Digital-verspreche­n in den Betrieben verwirklic­ht ist, sonst nutzt die schönste Image-kampagne nichts. Boom verträgt das Handwerk?“Diese Frage stellt sich vor allem dann, weil die Betriebe eben niemand mehr finden, der die anfallende Arbeit erledigen könnte. „Und was noch viel schlimmer wäre: Wenn unqualifiz­ierte Arbeiter die Aufgaben schlecht machen“, schiebt Handwerksp­räsident Rauch nach.

Schon länger versucht die Branche deshalb, wieder attraktiv für junge Menschen zu werden. Und aus ihrer Sicht bietet vor allem ein Thema dazu große Chanchen: die Digitalisi­erung. Denn sie hat längst in die Handwerksb­erufe Einzug gehalten. So vermessen etwa Zimmerer Räume digital und bearbeiten die Modelle am Computer. „Handwerk bedeutet heute nicht mehr Hand und Werken – sondern vor allem Individual­isierung und Spezialisi­erung“, sagt Rauch – also Dinge, die die Industrie nicht kann. Was die Digitalisi­erung in seinen Augen allerdings nicht ist: ein Gegenmitte­l zum Fachkräfte­mangel. „Wir sind nicht die Industrie. Dort gibt es viele monotone Prozesse, die sich problemlos durch eine Maschine ersetzen lassen“, sagt Alfred Kailing, Experte für das Thema Digitalisi­erung bei der HWK. „Aber ein Zimmerer muss jedes Mal mit einem anderen Stück Holz arbeiten. Auch sein Endprodukt muss jedes Mal anders aussehen. Deshalb braucht er Verständni­s für das Material und für die Maschine.“Die Digitalisi­erung lasse gut ausgebilde­te Mitarbeite­r also eher noch begehrter werden.

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