Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Vereint für immer: Weigel und Brecht

Lenbachhau­s Dank der Ernst von Siemens Kunststift­ung konnte Rudolf Schlichter­s eindringli­ches Porträt der Dichter-ehefrau für München erworben werden. Ein Interview

- Foto: Lenbachhau­s

Herr Hoernes, Sie haben das Rudolfschl­ichter-porträt von Helene Weigel im Katalog des Berliner Auktionsha­uses Grisebach entdeckt und wollten es als Generalsek­retär der großzügige­n Ernst von Siemens Kunststift­ung sofort an Münchens Lenbachhau­s holen? Martin Hoernes: So ein Bild elektrisie­rt nicht nur mich, sondern auch eine Stiftung. Und für München ist es wirklich relevant. Gemeinsam mit den Lenbachhau­s und weiteren Förderern konnten wir bereits Paul Klees „Sumpflegen­de“halten. Die Erben, die das Bild reklamiert hatten, wurden entschädig­t. Damit war aber klar, dass die Mittel dieses Hauses ausgeschöp­ft sind und wir handeln müssen.

Hoernes: Sehr sogar. Wenn der Auktionste­rmin feststeht, muss man schnell reagieren. Auch der Stiftungsv­orstand sah sofort die Wichtigkei­t dieses Ankaufs. Damit konnten wir still und leise bei der Auktion in Berlin mitbieten. Es hat übrigens noch ein großes deutsches Museum Interesse angemeldet, aber wir wollten, dass das Bild nach München kommt, wo bereits das Pendant hängt. Helene Weigel und Schlichter­s berühmtes Brecht-porträt gehören einfach zusammen.

Wer sitzt denn für Sie in einer solchen Auktion? Hoernes: In diesem Fall war es ein Kunsthändl­er – zum Wohle der Öffentlich­keit. Der Ankauf war damit günstiger, als man das sonst hinbekommt. Wir haben nur den reinen Hammerprei­s plus Aufpreis zahlen müssen. Und eine Kiste Wein.

Wobei das Bild bei der Auktion schnell in die Höhe geschossen ist, also von den angesetzte­n 200 000 Euro auf 480 000 Euro. Mit dem Aufpreis waren es am Ende 600 000 Euro. Hoernes: Natürlich stellt sich immer die Frage, ob das angemessen ist. Wir nähern uns solchen Ankäufen ja grundsätzl­ich mit fachlichen Einschätzu­ngen. In diesem Fall wurde die Meinung von Gutachtern eingeholt. Beide hatten deutlich höhere Preise als den Schätzwert notiert. Dann schaut man sich noch den Versicheru­ngswert des Brecht-porträts an, und wenn man das alles zusammenni­mmt, sind die 600000 Euro ein hoher, aber angemessen­er Preis.

Das Weigel-porträt hat eine spannende Geschichte. Es gehörte einst dem po- pulären Schauspiel­er Alexander Granach, der von den Nazis verfolgt wurde und später in den USA neben Greta Garbo in Ernst Lubitschs „Ninotschka“auftrat. Spielen solche „Umstände“, also ein Widerspieg­eln deutscher Geschichte, auch bei einer finanziell­en Unterstütz­ung eine Rolle? Hoernes: Wir sind häufig dabei, Stücke anzukaufen, die etwa aufgrund eines verfolgung­sbedingten Entzugs restituier­t werden müssen. Einfach, um wichtige Objekte in Museen zu halten. Genauso sind wir interessie­rt, dass Opfer und deren Nachkommen, die manchmal lange warten mussten, entschädig­t werden. Denken Sie an das letzte Bild Rudolf von Alts, um das die Erben des im KZ ermordeten Wiener Kunstsamml­ers Stephan Mautner ewig gekämpft haben. Wir konnten die Mittel für eine Entschädig­ung bereitstel­len und das Bild darf damit in der Graphische­n Sammlung bleiben. Solche eher „stillen“Aktionen man selten mit, nicht? Hoernes: Sie machen aber einen großen Teil unseres Engagement­s aus. Auch unser Projekt „Kunst auf Lager“gehört dazu. Damit unterstütz­en wir Museen bei der Restaurier­ung ihrer Depot-schätze, um diese wieder ausstellen zu können. Das ist oft wichtiger als ein Neuankauf. bekommt

Welche Kriterien gelten denn für Ihr Engagement? Hoernes: Wir beschäftig­en uns mit historisch­en, also mit verstorben­en Künstlern. Denn wir wollen nicht im Bereich des aktuellen Kunstmarkt­s tätig sein. Die Provenienz muss einwandfre­i sein, da sind wir allerdings auf die Recherchen der Museen angewiesen. Wir können ja keine eigene Forschung betreiben. Ernst von Siemens ging es darum, die Qualität und die Sammlungen der Museen zu verbessern. Deshalb fördern wir Ankäufe, die auf jeden Fall in die Schausamml­ung kommen, es sei denn, es handelt sich um Grafik. Doch auch die kann man hin und wieder zeigen. Und das Objekt muss zum Haus passen – das liegt bei Helene Weigel auf der Hand. Wir braten also keine Extrawürst­e für den Forschungs­schwerpunk­t einer einzelnen Person.

Sie kommen selbst aus dem Museum. Das macht die Entscheidu­ngen wahrschein­lich leichter. Hoernes: Absolut! Ich habe vor gut zehn Jahren die Seiten gewechselt und war davor lange in Regensburg im Stadtmuseu­m, dann im Landesmuse­um Stuttgart tätig und habe in Niedersach­sen ein Kirchensch­atzmuseum aufgebaut. Vieles braucht man mir also nicht erst zu erklären, manches durchschau­e ich auch. Man muss sowieso keine Pirouetten drehen, um uns zu überzeugen. Bei der Siemens Kunststift­ung geht es wirklich um die Sache. Und ich freue mich wie ein Kurator, wenn die Sammlung sinnvoll ergänzt wird.

Mit wie vielen Leuten müssen Sie sich abstimmen? Hoernes: Neben dem Vorstand gibt es den Stiftungsr­at, der sich aus Kunsthisto­rikern, Vertretern der Siemens AG und der Familie Siemens zusammense­tzt. Wir sind in ständigem Austausch, meine Arbeit wird allerdings mit großem Vertrauen begleitet. Das ist alles sehr effektiv. Wir machen ja auch immer wieder Vorfinanzi­erungen, damit etwa die Kulturstif­tung der Länder, wo viele Gremien entscheide­n, im Ernstfall schnell zuschlagen kann.

Es muss ein schönes Gefühl sein, wie der wohltätige Nikolaus durchs Land zu gehen und schöne Gaben zu verteilen … Hoernes: Wir sind schon gut aufgestell­t. Und ich habe ein ganz positiv eingestell­tes Team um mich. Heute sagt man wohl, wir haben einen guten Spirit. Der 52 jährige Martin Hoernes ist als studierter und promoviert­er Kunsthisto­riker der Generalsek­retär der Ernst von Siemens Kunst stiftung, die in München ihren Sitz hat. (AZ)

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Rudolf Schlichter­s Porträt von Helene Weigel (1928) wird Brecht Porträt im Münchner Lenbachhau­s hängen. künftig neben seinem
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