Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Gestrandet am Flughafen
Sensemble Ohne Pass im Transitbereich: Ein Mann und eine Frau auf der Zwischenstation einer Reise. Sebastian Seidels neues Stück „Lost in Transit“erinnert an bekannte Filme
Mit einer E-mail fing alles an: „Hello. My Name is Mona Lisa Lo. I am searching for a trusted and god fearing person. For friendship and to share feelings together, I believe god has his own way of bringing people together …“In welcher Situation befindet sich eine Frau, die solch eine E-mail schreibt, überlegte sich Sebastian Seidel, Autor und Leiter des Sensemble Theaters, als er den Text in seinem Posteingang fand und spann daraus die Handlung eines Stücks, das Wolfgang Lackerschmid vertonen sollte. Geplant war es als Beitrag zum Lutherjubiläum im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit der Regio Augsburg und dem Theater Augsburg. Doch dann platzte dieses Projekt und Seidel schrieb das Musical um in ein Zweipersonen-stück um es nun am Sensemble Theater uraufzuführen.
„Lost in Transit“heißt es, und wem dazu ein Film mit gleichlautendem Titel einfällt, ist auf der richtigen Spur. Wie in dem französischen Kinofilm, geht es in Seidels Stück um den Verlust des Passes und Gestrandete in einem Flughafenterminal. Ein Mann und eine Frau sind hier auf der Zwischenstation einer Reise, die sie in einen anderen Erdteil führt. Beide lassen Familie zurück, er seine pflegebedürftige Mutter, sie ihre Tochter. Dass sie auch eine gemeinsame Geschichte haben, wissen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Sie sind Menschen in einer existenziellen Situation, die auf einmal auf sich zurückgeworfen sind“, erläutert der Autor. Verbunden damit sind laut Seidel jedoch auch globale Gedanken, etwa „wie dieser wahnsinnige Reichtum im Westen zur Armut in anderen Erteilen im Bezug steht“.
Entwickelt werden diese Themen allerdings nicht im Gespräch der beiden Akteure, die von Sarah Hieber und Florian Fisch verkörpert werden, sondern in Monologen. Teils sind sie übereinandergelegt, manchmal enthalten sie denselben Wortlaut, erhalten aber je nach Sprecher einen eigenen Sinn. Sie und er, die im Stück beide namenlos bleiben, sind meist mit sich selbst beschäftigt, manchmal treffen sich ihre Blicke und Körper, erst zum Ende gibt es einen kurzen Dialog der beiden.
In Anspielung auf den konfessionsunabhängigen Gebetsraum an Flughäfen war für Sebastian Seidel anfangs der Arbeitstitel dieses Stückes „Prayerroom“. „Die Figuren gehen in sich und werden auf den Kern ihrer Identität zurückgeführt“, erklärt er, wie er darauf kam. Doch dann sei ihm dies zu religiös assoziiert gewesen. „Der Titel muss stimmen“, weiß der Theatermacher. „Für den Erfolg eines Stückes ist es wichtig, dass die Zuschauer sofort im Thema sind“. Dass mancher bei Seidels Stück an den Filmklassiker „Lost in Translation“denkt, ist ihm deshalb nicht unrecht. Auch darin geht es um einen Mann und eine Frau, die in eine Krise geraten und ihr Leben überdenken. Ist es im Film das fremde und geschäftige Tokio, so bildet im Theaterstück der trubelige Flughafen mit seiner lauten Geräuschkulisse den Hintergrund.
Die Inszenierung von „Lost in Transit“hat Sebastian Seidel diesmal nicht selbst übernommen, sondern Daniela Nering überlassen. „Als Globetrotterin ist sie prädestiniert für dieses Thema“, meint er und erzählt, dass es befreiend gewesen sei, nicht unter dem Druck der Umsetzung auf der Bühne zu stehen. Denn oft habe er schon beim Schreiben auch die Inszenierung mit im Kopf gehabt. Bei „Lost in Transit“sei dies aber auch aus einem anderen Grund nicht möglich gewesen: Das Stück hat seine Uraufführung in der Studiobühne des Theaters, die bisher nur für Improtheater genutzt wurde und in der Seidel selbst noch nie inszeniert hat.
Welche Effekte hier möglich sind, wie der Raum wirkt, müsse erst noch erprobt werden, sagt Seidel. Neu ausgestattet mit den ausrangierten, orangen Stuhlreihen der Kongresshalle soll sie zur zweiten Spielstätte im Sensemble werden.
Premiere am Freitag, 26. Januar (ausverkauft), weitere Vorstellungen am 27. Januar, 2.,3.,9.,10. 16. und 17. Februar. Karten Tel. 08 21/34 94 666.