Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Was 5000 Metaller auf die Straße treibt
Wirtschaft Im Tarifstreit will die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen. Vor der City-galerie werden laute und kämpferische Töne angeschlagen. Den Streikenden geht es aber nicht nur um mehr Geld
Nach und nach füllt sich der Platz vor der City-galerie mit den Streikenden. Begleitet wird der Sternmarsch für die Forderungen der Gewerkschaft IG Metall von mitreißenden Trommelschlägen. Die Menschen mit den roten Kappen und Mützen sind laut. Sie schwenken ihre Fahnen und pusten kräftig in ihre Trillerpfeifen. Für einen kurzen Moment blitzt die Sonne durch den sonst wolkenbedeckten Himmel hervor. Ein Hoffnungsschimmer für ein besseres Angebot?
Am Montag sind die Verhandlungen für die Gewerkschaft nicht optimal gelaufen. Zwei Prozent Lohnerhöhung für 15 Monate, sei das Angebot der Arbeitgeber gewesen: „Zwei Prozent sind ein Witz!“, ruft Bezirksleiter der IG Metall Bayern, Jürgen Wechsler, mit heiserer Stimme ins Mikrofon. Die Metall- und Elektroindustrie boome in Bayern. Davon solle nicht nur die „Chefetage“profitieren, sondern auch die rund 835 000 Beschäftigten. Wechsler nennt das Angebot der Unternehmen eine Frechheit. Denn sie forderten im Gegenzug sogar längere Arbeitszeiten und mehr Verträge für 40-Stunden-wochen. Hinzu käme die Abschaffung des Kündigungsschutzes für ältere Angestellte und die Abschaffung bezahlter Pausen für die Schichtarbeiter. Um das zu erreichen, hätten Gewerkschafter 20 bis 30 Jahren gestreikt. „Das werden wir uns nicht nehmen lassen“, so Wechsler.
Es sei die härteste Auseinandersetzung der letzten 20 Jahre, sagt Michael Leppek, der Erste Bevollmächtigte und Geschäftsführer von IG Metall Augsburg. „Ende dieser Woche ist unsere Geduld vorbei“, verkündet Jürgen Wechsler. Denn schließlich streikten sie bereits seit zwei Monaten. Das Publikum drückt die Zustimmung durch laute Pfiffe und enthusiastisches Klatschen aus. Aber wie geht es weiter, wenn die zentralen Ig-metall-forderungen nach sechs Prozent mehr Entgelt und nach flexibleren Arbeitszeiten nicht eingehalten werden? „Ich sage es ganz klar: Die IG Metall wird auf keines der zentralen Forderungen verzichten“, so Wechsler. Andernfalls werde es zu keinem Tarifabschluss kommen, sagt er fest entschlossen und ermuntert die Demonstranten: „Wir können das! Wir haben den Mut! Und wir haben die Kollegen und Kolleginnen, um das zu bewerkstelligen.“
Das motiviert die anwesenden Beschäftigten. Hans-uwe Jüngling,
Sie wollen Solidarität mit Ledvance zeigen
63, Metallograf und Betriebsrat bei MT Aerospace, sagt: „Der Kampf geht weiter, bis wir ein vernünftiges Ergebnis haben. Wir hoffen auch, dass die neue Regierungsbildung das unterstützt“. In den Reihen der Demonstranten ist die Rede von „Arbeiterkampf“und sogar „Krieg“. Die Streikenden sind fest entschlossen, für die Ig-metall-forderungen einzutreten. „Wir haben keine Angst vor 24-Stunden-streiks und ja sogar vor unbefristeten Streiks“, kündigt Leppek an.
Beim Augsburger Warnstreik ist die drohende Werks-schließung bei Ledvance nach wie vor ein Thema. Jürgen Wechsler spricht von der „Zerstörung eines traditionsreichen Betriebs“und versichert: Die IG Metall werde alles daran setzen, dass Ledvance weiterhin in Augsburg lebe. Die Solidarität für den traditionellen Augsburger Leuchtmittelhersteller – früher Osram – ist groß. Sigrid Brunner, 59, von MT Aerospace nennt sie beispielsweise als zweiten Hauptgrund für ihre Anwesenheit: „Wir von Aerospace stehen heute hier außer den Tarifforderunvor gen aus drei Gründen: erstens für die Zukunftsfähigkeit des Standorts von Aerospace. Zweitens aus Solidarität zu Ledvance und drittens wegen unseres Managements: Man sollte für den Standort brennen, sich mit den Produkten identifizieren und nicht bloß absahnen und abhauen“. Was sie aber auch sagt: „Ich liebe meine Arbeit.“Doch heute ist „Arbeitskampf“angesagt.
Dafür nehmen diesmal rund 5000 Beschäftigte aus über 24 Betrieben am zentralen Warnstreik in Augsburg teil, unter anderem von Faurecia, Kuka, MAN Diesel & Turbo SE, MT Aerospace, SGL Carbon, Premium Aerotec und Renk. „Hauptsache, die Betriebe sind leer“, so der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Premium Aerotec, Sebastian Kunzendorf.