Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Rauch hat sich verzogen
Gesellschaft Seit zehn Jahren sind Zigaretten in bayerischen Gaststätten verboten. In Augsburg gab es damals Streit und Demonstrationen. Gastwirte berichten, wie sie heute mit dem Gesetz leben
Am Anfang herrschte neuer Gestank, zumindest in den Discos und Klubs. Dort hatte bis zur Einführung des Rauchverbotes der Zigarettenqualm in der Regel jeden anderen Geruch überlagert. Nun waren hier Zigaretten verboten, und ein anderer Geruch dominierte: Schweiß. Wie das eben so sein kann, wenn dutzende oder hunderte Menschen auf engstem Raum tanzen. Viele Betreiber hätten sich damals schnell Duftanlagen besorgt, sagt Gastronom Leo Dietz, der unter anderem das „Peaches“in der Maximilianstraße führt. Anders sei es ja auch nicht gegangen.
Dass sich Club-betreiber plötzlich Gedanken darüber machen mussten, wie sie die Körpergerüche ihrer Gäste überdecken, war noch eine der kleineren Änderungen, die das Rauchverbot mit sich brachte. Seit gut zehn Jahren besteht es jetzt, und nach einigem Hin und Her und einem Volksentscheid ist die Lage seit 2010 eindeutig: In Restaurants, Kneipen und Diskotheken darf nicht geraucht werden. Schluss, aus, vorbei. Wer quarzen will, muss vor die Tür.
Das Gesetz war zum Schutz der Gesundheit und der Nichtraucher gedacht. Unumstritten war es nicht. Kritik am Rauchverbot kam etwa von Wirten kleinerer Kneipen, die ihre Existenzgrundlage in Gefahr sahen. Dietz, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes in Augsburg, sagt heute, das Rauchverbot habe sich unter Gastronomen der Stadt eingespielt. „Im Großen und Ganzen wird es akzeptiert.“
Was offenbar auch für die Gäste selbst gilt, wie Zahlen der Stadt zeigen. Wer gegen das Rauchverbot verstößt, muss zahlen. Gäste zunächst 50 Euro, bei wiederholtem Verstoß 75 Euro. Verantwortliche Gastwirte erhalten beim Erstverstoß einen Bußgeldbescheid von 150 Euro, bei Wiederholung werden 300 Euro fällig. Seit 2011 seien 239 Bußgeldverfahren eingeleitet worden, heißt es vom Ordnungsreferat auf Anfrage. Die Tendenz sei absteigend. Man habe mittlerweile kaum noch Probleme mit dem Thema.
Das war nicht immer so. Bis Juli 2012 hatte die Ordnungsbehörde rund 170 Bußgeldverfahren einge- leitet, wie unsere Zeitung damals berichtete – was zugleich verdeutlicht, wie wenig weitere Fälle es seither gab. Hinweise von Bürgern oder konkurrierenden Wirten waren anfangs meist Auslöser der Kontrollen. Heute ist für die Ordnungsbehörden eher etwas anderes ein Thema: Beschwerden von Bürgern, die etwa eine Ruhestörung melden, weil sich Raucher vor den Türen der Kneipen laut unterhalten.
Nachdem Anfang 2008 die erste Version des Gesundheitsschutzgesetzes in Kraft getreten war, fanden viele Gastronomen in Augsburg eine kreative Lösung, wenn sie Gästen das Rauchen weiterhin ermöglichen wollten: Die Kneipen wurden zu Raucherklubs, zu Vereinen also, die Mitglieder aufnahmen und meist sehr geringe Mietgliederbeiträge verlangten. So ließ sich das Rauchverbot anfangs umgehen. Die kleine Rio-bar in der Heilig-grab-gasse beispielsweise wurde ein „Club der brasilianisch-kubanischen Raucherfreunde“. Inhaber Oliver Weiße bereitete die neue Gesetzeslage damals schlaflose Nächte. Er war ein erklärter Gegner des Rauchverbotes.
Dem Wirt bereitete das Gesetz schlaflose Nächte
Heute sagt er: „Im Prinzip haben wir uns alle dran gewöhnt.“Es bringe ja nichts, sich drüber aufzuregen. Begeistert ist er nach wie vor nicht von dem Gesetz, sagt er. Aber schließen musste er seine Bar nicht, auch wenn er die Befürchtung damals hegte. Anfangs seien die wirtschaftlichen Folgen allerdings schon spürbar gewesen: Stammgäste seien weggeblieben, ein „Zigarrenstammtisch“etwa löste sich auf.
Ähnliches berichtet Christine Störcher von der Gaststätte „Alte Schmiede“in Lechhausen. Störcher war 2011 Mitorganisatorin einer Demonstration von Gastwirten und ihren Gästen in Augsburg, die sich gegen das totale Rauchverbot in der Gastronomie richtete. 400 Teilnehmer zogen damals durch die Innenstadt. Auch Störcher berichtet von einem anfänglichen wirtschaftlichen Einbruch, von Stammtischen, die sich auflösten, von einer „Stimmungsänderung“. Man habe das Glück, dass man Speisen anbieten könne, die gut ankämen; so habe sich das auffedern lassen. Kleine Kneipen könnten das jedoch nicht.
Gastronom Leo Dietz sagt, „bestimmte Betriebstypen“hätten es schwerer als früher; auch er nennt kleine Kneipen, aber auch Diskotheken und Klubs. Ob man das jedoch auf das Gesetz zurückzuführen könne, sei eine andere Frage. Grundsätzlich gebe es ja einen gesellschaftlichen Wandel, sagt Dietz. Es entstünden neue Lokale, die Essen anbieten, Betriebe im Nachtleben müssten hingegen teils kämpfen. Was die Zigaretten angehe: Junge Menschen rauchten schlicht seltener und weniger als ältere – und hätten mit dem Rauchverbot meist ohnehin kein Problem, weil sie es nicht anders kennen. »Kommentar