Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Samba mit Spaßbremse

Wie Rios Bürgermeis­ter seine Stadt gegen sich aufbringt

- VON TOBIAS KÄUFER

Rio de Janeiro Die Kriegserkl­ärung kam per Videobotsc­haft: „Ich war noch nie beim Karneval. Ich bin evangelika­l und er hat nichts mit meiner Welt zu tun“, sagte Marcelo Crivella. Und der ist seit mehr als einem Jahr immerhin Bürgermeis­ter von Rio de Janeiro, der Welthaupts­tadt des Karnevals. Das wäre in etwa so, als ob sich Münchens Oberbürger­meister dem Oktoberfes­t oder sein Kölner Kollege dem Rosenmonta­gszug verweigern würden.

Schon damals fragten sich die Zeitungen unter dem Zuckerhut: Wie soll das zusammenge­hen, ein Feind des Karnevals und das Samba-spektakel? Es sollte nicht. Erstmals hat jetzt ein Bürgermeis­ter von Rio die symbolisch­e Übergabe der Stadtschlü­ssel an König Momo verweigert, mit der das närrische Treiben beginnt. Im „Sambadromo“, der Arena für 70 000 Zuschauer, ließ sich Crivella erst gar nicht blicken. Und das war nicht die einzige böse Überraschu­ng, die der Bürgermeis­ter für sein karnevalsw­ütiges Volk übrighatte. Denn angesichts der leeren Kassen nach den Olympische­n Spielen hat Crivella den Karnevalso­rganisatio­nen die Zuschüsse gekürzt. Für die Samba-schulen, die wie die Schützenod­er Karnevalsv­ereine in Deutschlan­d eine wichtige gesellscha­ftliche Funktion einnehmen, hat das dramatisch­e Folgen. „Ich habe meinen Job verloren“, klagen Opfer des Sparkurses. Denn der Karneval ist auch eine wichtige Jobmaschin­e für die kriselnde Stadt: Tourismus, Kostümindu­strie, Vereinswes­en – alle profitiere­n von ihm.

Auch Crivella spürt offenbar, dass er vielleicht etwas zu weit gegangen ist. Demnächst will er das „Sambadromo“besuchen – allerdings nicht als tanzender Gast, sondern „um die Infrastruk­tur zu besichtige­n“.

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Foto: Tatiana Mendonca, Fotolia

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