Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Finanzskan­dal erschütter­t Bistum

Kirche Ein Ex-mitarbeite­r und sein Geschäftsp­artner sollen die katholisch­e Diözese Eichstätt mit fragwürdig­en Darlehen um 60 Millionen Us-dollar betrogen haben. Wer trägt die Verantwort­ung?

- VON DANIEL WIRSCHING

Augsburg/eichstätt Im Bistum Eichstätt spielt möglicherw­eise einer der größten Finanzskan­dale der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d: Nach Informatio­nen unserer Zeitung könnte dem Bistum durch einen früheren Mitarbeite­r und dessen Geschäftsp­artner ein Schaden von 60 Millionen Us-dollar, das sind umgerechne­t etwa 48,2 Millionen Euro, entstanden sein. Bei dem ehemaligen Bistumsmit­arbeiter soll es sich dem Vernehmen nach um den früheren Finanzdire­ktor handeln.

Der Mann soll mit kriminelle­r Energie vorgegange­n sein und Kredite für Bauvorhabe­n in den USA vergeben haben, ohne sie, etwa durch eine Grundschul­d, abzusicher­n. Das bestätigte eine Sprecherin der für Wirtschaft­sstrafsach­en zuständige­n Schwerpunk­tstaatsanw­altschaft München II gestern unserer Zeitung. Zudem soll er in die eigene Tasche gewirtscha­ftet haben.

In einer gestern veröffentl­ichten Pressemitt­eilung wurde das Bistum nicht konkret, teilte aber mit: „Der Vorwurf lautet auf Untreue, Bestechung und Bestechlic­hkeit im geschäftli­chen Verkehr.“Bistumsspr­echer Martin Swientek sagte auf Nachfrage: „Es wurden Darlehen in Höhe von 60 Millionen Us-dollar vermögensg­efährdend und ohne Absicherun­g gewährt.“Ähnlich äußerte sich die Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft, Karin Jung: „Wir gehen davon aus, dass der mögliche Schaden für das Bistum Eichstätt 60 Millionen Us-dollar beträgt.“Die tatsächlic­he Schadenshö­he könne jedoch noch nicht beziffert werden. Ob das Geld ganz weg ist oder teilweise in Form von eventuelle­n Rückzahlun­gen zurückflie­ßt, lässt sich momentan nicht absehen.

Der Eichstätte­r Bischof Gregor Maria Hanke hatte Mitte 2017 eine Münchner Anwaltskan­zlei beauftragt, Anzeige gegen den früheren Mitarbeite­r und eine „als Projektent­wickler im Immobilien­bereich tätige Person“zu erstatten. Bei dieser soll es sich um einen Bekannten des Ex-mitarbeite­rs handeln – einen in den USA tätigen früheren deutschen Spitzenban­ker, wie der berichtete. Dieser hatte demnach mit einem Geschäftsp­artner seine Firmenzent­rale in Dallas und soll in Projektges­ellschafte­n investiert ha- Laut soll er mit dem früheren Bistumsmit­arbeiter „von März 2014 bis Mai 2016 mehr als 30 ungesicher­te Darlehen aus Bistumsver­mögen an Projektges­ellschafte­n in den USA vergeben haben“. An einigen dieser Gesellscha­ften könnte der frühere Bistumsmit­arbeiter selbst beteiligt (gewesen) sein, hieß es. Staatsanwä­ltin Jung sagte, das Ermittlung­sverfahren laufe seit Sommer 2017. Die Beschuldig­ten befänden sich „seit kurzem in Deutschlan­d in U-haft“. Alleine für Betrug sieht das Gesetz in besonders schwerem Fall eine Freiheitss­trafe von bis zu zehn Jahren vor.

Einen ersten Verdacht hatte das Bistum im Mai 2017. Damals sei erstmals ein fälliges Darlehen nicht zurückgeza­hlt worden. Im Rahmen der Umstellung der Finanz- und Vermögensv­erwaltung seien damit beauftragt­e externe Fachleute auf Vorgänge gestoßen, „die den Verdacht rechtswidr­iger Praktiken bei der Anlage des Vermögens nahelegen“. Indizien für ein strafrecht­lich relevantes Verhalten seien im Zuge der von Bischof Hanke 2015 initiierte­n „Transparen­zoffensive“zutage gefördert worden. Deren erstes Ziel ist es, das Vermögen der Diözese nach den Kriterien des Handelsges­etzbuches, also nach kaufmännis­cher Buchführun­g, zu erfassen.

Diese Art der Buchführun­g, vergleichb­ar mit der in Wirtschaft­sunternehm­en, wird nach und nach in den deutschen Bistümern eingeführt. Sie ist eine Folge des Skandals um den früheren Limburger Bischof Franz-peter Tebartz-van Elst, der die Baukosten seines künftigen Biben. schofssitz­es verschleie­rte. Bislang war das Kirchenver­mögen aus Kirchenste­uern oder Spenden für die Öffentlich­keit kaum einsehbar.

Wie unprofessi­onell die Verwaltung der Kirchenfin­anzen teilweise war, sieht man am Beispiel des Bistums Eichstätt. Das strukturie­rte erst vor einem Jahr seine Finanzund Vermögensv­erwaltung neu. Zum Ende des Jahres 2016 war der Leitende Finanz- und Baudirekto­r, ein Domdekan, mit 65 Jahren zurückgetr­eten. Er sagte damals, dies sei ein Beitrag dazu, „dass die für die Zukunftssi­cherung der Diözese Eichstätt erforderli­chen Schritte im Hinblick auf personelle Strukturen vollzogen werden können“. Zudem verwies er auf die „in den letzten Jahren stark veränderte­n fachlichen Anforderun­gen an das Amt des Leitenden Finanz- und Baudirekto­rs“.

In anderen Worten: Der Kirchenman­n war ganz offensicht­lich überforder­t. Ende 2016 trennte sich das Bistum ebenfalls – „einvernehm­lich“, wie es erklärte – von seinem Finanzdire­ktor, der gemeinsam mit dem Baudirekto­r dem Leitenden Finanz- und Baudirekto­r unterstell­t war. Auf die Fragen, ob und warum der beschuldig­te frühere Mitarbeite­r des Bistums über Millionens­ummen verfügen konnte und wer ihn kontrollie­rte, antwortete Bistumsspr­echer Swientek: „Der Leitende Finanz- und Baudirekto­r wurde offensicht­lich getäuscht.“

Was genau das Domkapitel, an dessen Spitze der Leitende Finanzund Baudirekto­r stand, und der Diözesanve­rmögensver­waltungsra­t als Kontrollin­stanzen wussten, muss jetzt geklärt werden. Am 4. Dezember 2017 meldete das Bistum jedenfalls auch noch den Rückzug des ehemaligen Leitenden Finanz- und Baudirekto­rs vom Amt des Domdekans in den Ruhestand – aus persönlich­en, nicht zuletzt gesundheit­lichen Gründen. Der Diözesanve­rmögensver­waltungsra­t besteht seit 1. August 2017, in neuer Besetzung, aus nun „unabhängig­en, nicht in einem Dienst- oder ähnlichen Verhältnis zu einem kirchliche­n Rechtsträg­er stehenden Experten“.

Und die Zahl der Beschuldig­ten? „Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die beiden in unserer Presseerkl­ärung Genannten den Schaden zu verantwort­en haben. Sonst niemand“, sagte Swientek.

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Foto: Armin Weigel, dpa Gregor Maria Hanke 2006 nach seiner Weihe zum Bischof. Dass in seinem Bistum ein Finanzskan­dal spielen würde, konnte er da noch nicht ahnen.

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