Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Im Museum des Glücks

Wissenscha­ft Wie wird man zufriedene­r mit seinem Leben? Im Londoner Stadtteil Camden erfahren Interessie­rte mehr darüber

- VON KATRIN PRIBYL

London Das Glück liegt versteckt im Untergesch­oss am Ende des kahlen, neonbeleuc­hteten Ganges. Erst ein kleines gelbes Schild zeigt den suchenden Besuchern, dass sie sich auf dem richtigen Weg befinden. Hier, in dem modernen Gebäude im Londoner Stadtteil Camden, wo täglich tausende Touristen durch die Straßen wuseln, befindet sich das weltweit einzige Museum des Glücks.

Zur Begrüßung flötet einem eine Britin ein überfröhli­ches „Hello“zu. Rosa Connor ist eine der drei Gründer des Museums, das auf den ersten Blick mehr an einen Spielplatz für Erwachsene erinnert. Wir wollen das Konzept erkunden: Die 31-Jährige, die lange Jahre als Yoga-lehrerin gearbeitet hat, gibt Antwort. „Es steckt eine Wissenscha­ft dahinter.“Doch nach einer Antwort wird in dem großen Raum zurzeit noch weniger mithilfe von Tafeln und Theo- gesucht. Eine Definition fürs Glücklichs­ein steht an der Wand geschriebe­n. Sie stammt von der Uspsycholo­gin Sonja Lyubomirsk­y: Die Erfahrung von Freude, Zufriedenh­eit oder positivem Wohlbefind­en – kombiniert mit einem Sinn dafür, dass das eigene Leben gut, bedeutend und wertvoll ist.

Zudem gibt es ein Bällebad, in dem zu leisen Klängen Erwachsene entspannen können. Sowie mehrere Stationen, bei denen zu bestimmten Aktivitäte­n aufgerufen wird. Wie etwa: „Nehmen Sie sich einen Moment und überlegen Sie, wofür Sie dankbar sind. Schreiben Sie das Ergebnis auf den Zettel.“An einem Baum baumeln hunderte Anhänger von Menschen, die sich dankbar für ihre Familie zeigen, für schöne Momente, für die Chance, studieren zu können. „Es sind die kleinen Dinge, die wir uns bewusst machen müssen“, sagt Rosa Connor. Ziel des Museums sei es auch, sich psy- chischer Gesundheit durch das Thema Glück anzunähern. „Wir haben in Großbritan­nien ein Riesenprob­lem mit psychische­r Gesundheit“, sagt Connor. Lange als Tabuthema verpönt, brachten es ausgerechn­et die Royals zurück auf die Agenda. Prinz Harry, Prinz William und Ehefrau Kate engagieren sich seit geraumer Zeit mit ihrer Kampagne „Heads Together“für mehr Offenheit im Umgang mit psychische­n Krankheite­n. Die beiden Brüder haben selbst Erfahrung. Sie gaben unlängst zu, wie sehr sie der Unfalltod ihrer Mutter, Prinzessin Diana, belastet hat. Harry kritisiert­e die typisch britische Eigenschaf­t, die auf der Insel „stiff upper lip“genannt wird, wörtlich übersetzt mit „steife Oberlippe“. Will heißen: Es geht dabei darum, Emotionen unter allen Umständen unter Kontrolle halten zu müssen.

Im Museum des Glücks, finanziert durch private Spenden und Einnahrien men aus Trainingsp­rogrammen, findet derzeit das Glücksfest­ival statt – etwa mit Vorträgen, Workshops und Lach-yoga. Besucher sollen verstehen lernen, was zu lang anhaltende­r Zufriedenh­eit führen kann, und dazu noch Spaß haben. Connor sowie ihre Co-gründer Victoria Johnson und Shamash Alidina, der Achtsamkei­tstraining lehrt, gehen zudem an Schulen, in Unternehme­n oder Gemeindeze­ntren, um jene zu erreichen, die eine kleine Pause vom hektischen London-leben benötigen.

Ein Mann spaziert in das Museum, setzt sich auf eines der Kissen in der Mitte des Raums, die überall auf dem Kunstrasen verteilt sind. Er leidet unter psychische­n Problemen, kommt regelmäßig vorbei. Im Kreativitä­tsraum vergesse er seine Sorgen für eine Weile, sagt er. „Man kann hier wieder vier Jahre alt sein“, meint er. Rosa Connor strahlt ihn an. Er lächelt zurück. Ein kleines bisschen Glück.

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