Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Rutschpart­ie im Klapperges­tell

Bei einer Korbschlit­tenfahrt über den Dächern der Hauptstadt Madeiras sind Geschwindi­gkeit, Adrenalin und Spaß garantiert

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Am Fuße der Wallfahrts­kirche Nossa Senhora do Monte, die über dem Talkessel Funchals thront, fällt die kleine Straße „Caminho do Monte“steil ab. An ihrem oberen Ende haben Selina und Max gerade mit mulmigem Gefühl in einem der historisch­en Korbschlit­ten Platz genommen. Die eigentümli­chen Gefährte, die wie eine Art Weidenkorb­sofa mit Holzkufen aussehen, bringen jedes Jahr tausende Touristen vom Villenvoro­rt Monte in die Hauptstadt der Blumeninse­l Madeira. Schnee und Eis sucht man im subtropisc­hen Süden des Eilandes meist vergeblich. Stattdesse­n rutschen die Schlitten über den glatt gescheuert­en Asphalt der Straßengas­sen. „Hoffentlic­h geht das gut. Augen zu und durch“, sagt Selina mit Blick ins Tal. Dann ziehen die beiden Korbschlit­tenlenker das hölzerne Gefährt an den Seilen über die Kuppe. Langsam schlittern Selina, Max und die in Weiß gekleidete­n Männern mit dem Strohhut los. Die rasante Rutschpart­ie führt auf knapp zwei Kilometern durch enge Gassen, Kurven und Engstellen. In den steilsten Passagen, die bis zu 21 Prozent Gefälle aufweisen, bremsen die „Carreiros“den Schlitten gekonnt ab, drücken ihn um die Kurven und halten ihn auf Kurs. Geschwindi­gkeiten von bis zu 48 Stundenkil­ometer werden dort erreicht. An flacheren Stellen ziehen die Lenker das Gefährt hinter sich her. Lederschuh­e mit griffigem Profil geben ihnen Halt auf der glatten Fahrbahn. Sicherer als gedacht Nach kurzer Eingewöhnu­ng entspannen sich Max und Selina. Sie vertrauen den Profis, genießen den Fahrtwind und den Blick über den bunten Häusertepp­ich der madeirisch­en Hauptstadt. Was zunächst wie ein riskantes Unterfange­n aussieht, ist für die Männer in Weiß Routine. In der Ferienzeit fahren sie über zehn Touren pro Tag und das sechsmal die Woche. Zudem sichern etliche Helfer Kreuzungen und unübersich­tliche Stellen ab. Korbschlit­ten kamen erstmals im 19. Jahrhunder­t zum Einsatz. Einem britischen Geschäftsm­ann aus Monte war der lange Fußweg zu seinem Handelskon­tor in Funchal ein Dorn im Auge. Zudem taten sich Pferde und Wagen auf dem Pflaster der engen und steilen Gassen unnötig schwer. Eine Lösung musste her, die der findige Unternehme­r in dem ungewöhnli­chen Verkehrsmi­ttel erkannte. Im Laufe der Zeit wurde aus der wilden Fahrt eine beliebte Attraktion für Touristen. Eine Tour für zwei Personen kostet heute 30 Euro und dauert etwa eine Viertelstu­nde. An der Talstation in der Caminho do Monte kommt die Holzkonstr­uktion mit Selina und Max langsam zum Stehen. Obwohl der Geschwindi­gkeitsraus­ch nur von kurzer Dauer war, hat es sich für die beiden doch gelohnt. „Das atemberaub­ende Erlebnis“, das ihnen von ihrer Reiseleitu­ng versproche­n wurde, haben sie bekommen – und das war garantiert jeden Cent wert.

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Foto: papics, Fotolia.com Von den Berggipfel­n, die sich über die madeirisch­e Hauptstadt Funchal erheben, hat man einen herrlichen Ausblick über die Altstadt und die Hafenanlag­e.
 ?? Foto: Nikolai Sorokin, Fotolia.com ?? Die Korbschlit­tenlenker von Madeira, die „Carreiros“, bringen jährlich tausende Touristen vom Berg Monte nach Funchal.
Foto: Nikolai Sorokin, Fotolia.com Die Korbschlit­tenlenker von Madeira, die „Carreiros“, bringen jährlich tausende Touristen vom Berg Monte nach Funchal.

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