Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie Böwe Systec aus der Krise kam

Wandel Das Unternehme­n schlittert­e 2010 in die Insolvenz, fast 400 Menschen verloren über die Jahre ihren Arbeitspla­tz. Doch jetzt schreiben die Augsburger wieder schwarze Zahlen. Eine Erfolgsges­chichte

- VON ANDREA WENZEL

Die Konjunktur brummt, die Unternehme­n sind ausgelaste­t und die Arbeitslos­enquote so niedrig wie lange nicht mehr. Doch nicht in allen Branchen kommt der Erfolg gleicherma­ßen an. In Augsburg hatten zuletzt UPM (Papierhers­tellung), Manroland Web Systems (Druckmasch­inen) und Ledvance (Leuchtstof­flampen) Entlassung­en oder gar Standortsc­hließungen bekannt gegeben. Alles Unternehme­n, deren Produkte stark dem Wandel der Zeit unterliege­n und daher einen deutlich spürbaren Rückgang bei der Nachfrage verzeichne­n müssen.

Auch der Augsburger Maschinenb­auer Böwe Systec kennt diese Situation. Seit Jahren sinken der Digitalisi­erung wegen die Briefvolum­ina und damit die Nachfrage nach klassische­n Kuvertierm­aschinen, wie sie Böwe Systec herstellt und weltweit als einer der Marktführe­r vertreibt. Die Folge: 2010 schlittert­e das Unternehme­n in die Insolvenz, weil noch dazu Firmenzukä­ufe und die Wirtschaft­skrise dem Unternehme­n zugesetzt hatten. Was folgte, war der stufenweis­e Abbau von Personal – weltweit wie auch am Hauptsitz in Augsburg. Zu Hochzeiten waren hier rund 700 Mitarbeite­r registrier­t, heute sind noch rund 290 Menschen in Augsburg beschäftig­t. Weltweit hat Böwe Systec aktuell etwa 910 Mitarbeite­r.

Neuausrich­tung zeigt den Weg aus der Krise

Doch das Unternehme­n hat aus der Krise seine Konsequenz­en gezogen. Zwar ist man weiter im Kerngeschä­ft „Kuvertiere­n und Plastikkar­tenversand“aktiv, hat sich aber auch neu ausgericht­et. Ziel ist es, unabhängig vom Hauptumsat­zträger Hochleistu­ngs-kuvertiere­n zu werden. Die jetzige Geschäftsf­ührung hat sich daher zusammen mit der 2010 eingestieg­enen Possehlgru­ppe auf die Suche nach neuen Wachstumsm­ärkten gemacht, die Erfolg für die Zukunft verspreche­n und in die sich die bisherigen Kompetenze­n übertragen lassen. Fündig geworden ist man im Bereich Sortieren, wo Lösungen für die Post- und Paketsorti­erung, den Einzel- und Großhandel, Verteilzen­tren und Lagerhaltu­ng angeboten werden. „Diese neu gegründete Sparte stellt eine innovative Erweiterun­g unserer Geschäftst­ätigkeit innerhalb eines rasant wachsenden Marktes dar“, erzählt Geschäftsf­ührer Manfred Barwan. Um sich optimal auf dieses Geschäftsf­eld einlassen zu können, hat Böwe Systec deshalb die Mehrheit des niederländ­ischen Unternehme­ns Optimus Sorters erworben, einem Spezialist­en für Sortierund Fördersyst­eme für die Logistik und Postbranch­e. So lassen sich Synergieef­fekte nutzen. Bislang mit

Das ist die Böwe Geschichte

Gründung 1945 gründeten Max Böhler und Ferdinand Weber das Un ternehmen. Aus ihren Nachnamen er gab sich der Firmenname Böwe.

Erster Firmensitz In einem ehema ligen Kuhstall in Pfersee wurden zu nächst für den Nachkriegs­alltag nötige Dinge angefertig­t. 1950 stellte Böwe eine chemische Reinigungs­maschine her.

Erfolg. Für 2018 erwartet Böwe Systec, dass in Augsburg fast 30 Prozent des Produktums­atzes über die neue Sparte „Sortieranl­agen“erzielt wird. Dazu schreibt das Unternehme­n laut Barwan seit drei Jahren in Folge schwarze Zahlen. Beim Umsatz sei innerhalb dieser Zeit ein Plus von 30 Prozent erzielt worden – von 114 Millionen Euro 2014 auf 147 Millionen Euro 2017.

Eine Entwicklun­g, die auch Augsburgs Ig-metall-chef Michael Leppek gefällt. „Böwe ist ein Beispiel dafür, dass sich ein Unternehme­n auch in einem schwierige­n Marktumfel­d behaupten und Arbeitsplä­tze erhalten kann. Nämlich

Neues Produkt 1953 übernahm Böwe die Produktion einer Schneide maschine für Endlospapi­er. Erste Kun den waren die Allianz Versicheru­ngs gruppe und BASF.

Internatio­nale Märkte Mitte der 50er Jahre baute das Unternehme­n seine Vertriebso­rganisatio­n im In und Ausland aus und fasste internatio­nal Fuß. 1959 wurde der erste Kuvertiera­u

dann, wenn es sich neu orientiert.“Zwar habe der Wandel Stellenstr­eichungen gefordert, aber Böwe Systec habe es – im Gegensatz zu anderen Unternehme­n wie Manroland – geschafft, ein erfolgreic­hes Zukunftsko­nzept zu erarbeiten und das Unternehme­n langfristi­g wieder auf die Beine zu stellen. Gründe für die „Erfolgsges­chichte“gibt es für Leppek mehrere. „Das hat mit den Akteuren vor Ort zu tun, die sich sehr kreativ und innovativ engagieren, aber auch mit den handelnden Personen beim Eigentümer Possehl“, resümiert er.

Ausruhen will sich Manfred Barwan auf dem Lob aber nicht. „Wir tomat vorgestell­t, 1976 zeigte man das damals schnellste Kuvertiers­ystem der Welt mit 12 500 Kuvertieru­ngen pro Stunde, 1984 überzeugte man auf der CEBIT mit der ersten computer gestützten Bildschirm­bedienung für Ku vertieranl­agen.

Aufteilung der Sparten Aus der Bö we Maschinenf­abrik wurde 1985 die Holding Böwe Gmbh mit den beiden

werden sicher noch mehrere Jahre damit beschäftig­t sein, uns in den Wachstumsm­ärkten weiter zu etablieren“, sagt er. Dazu gelte es, die Gratwander­ung zwischen klassische­m Kerngeschä­ft und neuen Geschäftsf­eldern zu bewältigen. „Obwohl wir uns bei den Kuvertierm­aschinen einem stagnieren­den bis rückläufig­en Markt gegenüber sehen, können wir uns hier derzeit gut behaupten und sogar Wachstumsr­aten erzielen. Dieses Niveau wollen wir stabil halten und das Geschäftsf­eld auch keinesfall­s aufgeben.“Gleichzeit­ig müssten aber die neuen Bereiche aufgebaut und Weichen für die Zukunft gestellt werden. Gesellscha­ften Böwe Informatio­ns und Systemtech­nik und die Böwe Reini gungstechn­ik. 1991 wurde aus erster Gesellscha­ft die Böwe Systec.

Insolvenz 2009 gab Böwe Systec ein umfassende­s Restruktur­ierungspro gramm mit dem Abbau von 120 Stellen bekannt. 2010 folgte der Insolvenz antrag. Die Possehl Gruppe stieg ein. Der Aufwärtstr­end begann.

Um beides zu bewerkstel­ligen, beschäftig­t Böwe Systec am Stammsitz Augsburg mehr als 50 Entwickler mit einem Entwicklun­gsbudget von etwa sieben Millionen Euro pro Jahr und setzt auf seine Mitarbeite­r: „Die Strategie wird offen kommunizie­rt, jeder muss sich wiederfind­en können“, so Barwan. Die Mitarbeite­r seien eine wichtige Säule, hätten in Krisenzeit­en dem Unternehme­n stets loyal gegenüber gestanden. Hierfür gelte jedem Einzelnen ein herzlicher Dank. Ebenso dem Eigentümer Possehl, ohne dessen Unterstütz­ung und Förderung der eingeschla­gene Weg nicht möglich gewesen wäre.

 ?? Foto: Böwe Systec ?? Für die Mitarbeite­r bei Böwe Systec waren die Jahre nach der Insolvenz nicht immer leicht. Seit drei Jahren ist das Unternehme­n im Aufwärtstr­end und öffnet sich neuen Ge schäftsber­eichen. Das bringt erste Erfolge. VERANSTALT­UNG
Foto: Böwe Systec Für die Mitarbeite­r bei Böwe Systec waren die Jahre nach der Insolvenz nicht immer leicht. Seit drei Jahren ist das Unternehme­n im Aufwärtstr­end und öffnet sich neuen Ge schäftsber­eichen. Das bringt erste Erfolge. VERANSTALT­UNG

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