Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn der Aufschwung zum Problem wird
Handwerk Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll. Teils zu voll. Das hat Konsequenzen
Von den Wirtschaftskammern hört man nur Positives: Die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen ist mit der aktuellen Lage zufrieden und blickt ebenso optimistisch in die Zukunft. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Die Bauwirtschaft in Augsburg beispielsweise steuert auf einen immer größeren Fachkräfteengpass zu. 47 Stellen in der Branche waren hier im vergangenen Jahr durchschnittlich länger als drei Monate unbesetzt – 14 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Die IG Bau beruft sich bei den Zahlen auf eine Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit. Insgesamt waren in Augsburg demnach im Jahresmittel 85 offene Bauarbeiter-jobs gemeldet. „Während die Baukonjunktur so gut dasteht wie zuletzt Ende der 1990er-jahre finden heimische Unternehmen oft keine Fachleute mehr“, sagt Michael Jäger. Der Bezirksvorsitzende der IG Bau Schwaben nennt den Trend ein „Alarmsignal“. Vom Zimmerer bis zum Estrichleger fehlten in der Region Spezialisten in nahezu allen Bausparten. Das hat Folgen. „Die Mitarbeiter die wir haben, sind mehr als ausgelastet, es fallen viele Überstunden an. Kunden müssen bei der Ausführung ihrer Aufträge teils mit größeren zeitlichen Verzögerungen rechnen. Manchmal können wir einen Auftrag auch gar nicht mehr annehmen“, erzählt ein Unternehmer, der anonym bleiben will, um dem Ruf seines Unternehmens nicht zu schaden.
Jäger sieht in der Problematik einen doppelten Grund: „Einerseits haben viele Firmen trotz anziehender Auftragslage ihre Personaldecke in den letzten Jahren nicht ausreichend aufgestockt. Andererseits hat der Bau mit einem großen Nachwuchsproblem zu kämpfen. Zwar verdienen Azubis hier mehr als in allen anderen Branchen – doch immer mehr Schulabgänger zieht es an die Uni.“
Zu viele junge Menschen wollen studieren
Bei der Handwerkskammer für Schwaben ist das Problem bekannt. „Bei der Nachwuchsgewinnung setzen wir alles daran, Jugendliche für das Handwerk zu begeistern und bestehenden Vorurteilen entgegenzuwirken“, sagt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben (HWK). Ebenso müssten die Chancen durch eine gewerbliche Ausbildung noch klarer hervorgehoben werden. Die HWK wie auch die Industrieund Handelskammer versuchen daher, gegenzusteuern und mit verschiedenen Kampagnen für die Ausbildung zu werben.
Doch nicht nur der Mangel an Personal treibt Wagner um. Er richtet den Blick auch wirtschaftlich in die Zukunft. „Derzeit ist es so, dass wir mit mehr Personal sogar noch mehr Wachstum generieren könnten. Doch es wird nicht ewig bei dieser Hochkonjunktur bleiben.“Dies müssten die Unternehmen im Blick behalten und sich flexibel aufstellen, so Wagner.