Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum Edeka keine Nestlé Produkte mehr verkauft

Handel Der Supermarkt streitet sich mit dem Lebensmitt­el-riesen. Wie Experten den Schritt einschätze­n

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Der Schritt erscheint ungewöhnli­ch: Edeka will etwa 160 Produkte von Nestlé aus dem Sortiment nehmen. Der Grund: Der Lebensmitt­elhändler ist mit den Konditione­n, die Nestlé verlangt, nicht einverstan­den. Andere bekämen günstigere Preise. Der größte deutsche Lebensmitt­elhändler ist mit dem Boykott nicht allein. Der Händlerzus­ammenschlu­ss Agecore, zu dem neben Edeka etwa Intermarch­é und Coop Schweiz gehören, verkauft ebenfalls keine Nestlé-produkte mehr. So berichtet es die

Edeka wollte den Bericht nicht kommentier­en. Was sich da abspielt, ist ein Kräftemess­en. Aber kann das gelingen?

Um das zu beantworte­n, muss man zwei Dinge wissen. Der erste Punkt: Kunden lassen sich in zwei Kategorien aufteilen. Menschen, die ihren Einkaufsst­ätten – also ihrem Supermarkt – treu sind, und Menschen, die bestimmten Marken treu sind – also unbedingt Wagner-pizza oder Maggi kaufen möchten. „Ich schätze, dass etwa 20 Prozent der Edeka-kunden bestimmte Nestlémark­en wollen“, sagt Stephan Rüschen, Handelspro­fessor an der Hochschule DHBW Heilbronn. Das macht deutlich: Für Edeka steht viel auf dem Spiel. Die Kette könnte 20 Prozent ihrer Kunden verlieren. „Aber auch für Nestlé ist das Kräftemess­en hart“, sagt Rüschen. Die Zahl heißt auch: „Wenn Edeka an seiner Strategie festhält, könnte Nestlé bis zu 80 Prozent des 900-Millionen-euro-umsatzes, den es bisher bei Edeka macht hat, verlieren.“Das droht dann, wenn die Edeka-kunden auf Ersatzprod­ukte ausweichen. So sagt Martin Fassnacht, Professor für Marketing an der Wirtschaft­suniversit­ät WHU: „Da geht es um Geld, richtig viel Geld.“Die Edeka-umsätze dürfen für Nestlé nicht wegbrechen. „Die Nestlé-zahlen waren o. k., aber nicht gut“, sagt er.

Der zweite Punkt: Dass Händler bei Preisverha­ndlungen Produkte aus dem Sortiment nehmen, ist nicht so ungewöhnli­ch. Vergangene­s Jahr etwa stritt Edeka mit Mars und nahm diese Produkte aus den Regalen. Lidl boykottier­te eine Zeit lang Coca-cola. Meistens einigen sich die Konfliktpa­rteien. „Das ist wie ein Streik, der auch zu einer Einigung führen soll“, sagt Rüschen.

Dass es nicht immer so kommen muss, zeigen die Fristo Getränkmär­kte mit Sitz in Buchloe. Vor einem Dreivierte­ljahr entschloss sich die Geschäftsf­ührung, keine Getränke des Brauerei-riesen AB Inbev, zu dem Marken wie Beck’s, Franziskan­er Weissbier und Löwenbräu gehören, mehr zu verkaufen. Fristo ärgert sich über die Preispolit­ik der Brauerei. Und Fristo hält bislang an seinem Boykott fest – ohne Schaden. Am Anfang habe man den Kunden den Schritt erklären müssen, sagt ein Sprecher des Getränkema­rkts. Aber die Kunden hätten es verstanden. Viele seien inzwischen auf regionale Biermarken ausgewiche­n, erzählt er. „Respekt“, sagt Handelspro­fessor Fassnacht. Aus seiner Sicht sei es sehr ungewöhnli­ch. Aber weil es bei Bier viele regionale Alternativ­en gebe, machbar.

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Foto: Patrick Seeger, dpa Wer bei Edeka einkauft, findet wohl keine Wagner Pizza und keine Maggi Suppe. Diese Nestlé Produkte verkauft der Markt nicht mehr.

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