Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bartels’ bittere Bilanz

„Ich würd’ mich freuen, wenn ich mein eigener Nachfolger würde.“Bundeswehr Eigentlich sollte mit viel Geld alles besser werden. Doch der Wehrbeauft­ragte sieht große Lücken in allen Truppentei­len. Wenn schon der Kauf von Klamotten nicht klappt

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Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU, Kempten) am Dienstag in Brüssel zu seinen Ambitionen, im Amt zu bleiben Berlin Hans-peter Bartels muss Mängel und Missstände in der Truppe benennen. Das ist sein Job. Deshalb fallen Jahresberi­chte des Wehrbeauft­ragten selten schmeichel­haft für die Verteidigu­ngsministe­rin aus. Aber 2018 ist Bartels’ Bilanz bitter wie nie. Er beschreibt die Truppe als einen einzigen Sanierungs­fall. Wäre sein Bericht ein Schulzeugn­is, die Versetzung von Ursula von der Leyen wäre wohl gefährdet. „Die Ministerin war schnell im Probleme-analysiere­n und dann im Trendwende­n-proklamier­en“, sagt er. „Nur macht die Proklamati­on allein noch nichts besser.“

Als Bartels seinen ersten Bericht vorlegte, da verkündete von der Leyen zwei Stunden später große Trendwende­n für die Bundeswehr. Die Ausrüstung der Truppe sollte mit einem 130 Milliarden Euro schweren Investitio­nsprogramm auf Vordermann gebracht, das Personal aufgestock­t, der Schrumpfku­rs eines Vierteljah­rhunderts beendet werden. Bartels war angetan von den Reformen. Drei Jahre später ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil: Der Zustand der Truppe habe sich eher noch verschlech­tert, sagt der Wehrbeauft­ragte am Dienstag. Und nennt altbekannt­e Probleme:

Personal Die Bundeswehr versucht weiterhin händeringe­nd, ihre Reihen zu füllen. Teure Werbemaßna­hmen sollen Fachkräfte locken. Die Personalpo­litik bleibt laut Bartels aber weit hinter den Erwartunge­n zurück. 21 000 Dienstpost­en von Offizieren und Unteroffiz­ieren seien nicht besetzt, kritisiert er. Die Bundeswehr konkurrier­e auch mit der Polizei erheblich um Nachwuchs. Die Truppe müsse endlich moderner und attraktive­r werden.

Material Panzer, die nicht rollen, Helikopter, die nicht fliegen, Boote, nicht schwimmen. Die Ausrüstung der Truppe hat sich, so Bartels, verschlech­tert. Er spricht von riesigen Lücken in allen Teilstreit­kräften. „Das Material ist noch älter, Ersatzteil­e liegen keine auf Lager.“Die Einsatzber­eitschaft der Waffensyst­eme sei „dramatisch niedrig“.

Finanzen Für die Trendwende fordert Bartels deutlich mehr Geld. Im Haushaltsp­lan stehe „noch nichts substanzie­ll Zusätzlich­es“. Die Mittel, die laut aktuellem Finanzplan in den nächsten Jahren für die Truppe vorgesehen sind, glichen gerade einmal die Inflation aus, be- schwert er sich. Union und SPD haben im Koalitions­vertrag vereinbart, zusätzlich­e Haushaltsm­ittel in die Bundeswehr zu stecken. Das ist Bartels zu unsicher: „Im Moment regiert das Prinzip Hoffnung.“

Bartels gilt als „Anwalt der Soldaten“, er bekommt den Frust der Truppe tausendfac­h auf seinen Schreibtis­ch (siehe Grafik). Der Spd-politiker schlägt vor, die schlechte Stimmung in der Bundeswehr im Alltag zumindest durch den unbürokrat­ischen, schnellen Kauf einfacher Ausrüstung aufzuhelle­n. Er denkt dabei an Stiefel, Funkgerädi­e te oder Nachtsicht­brillen. Es sei nachvollzi­ehbar, wenn die Beschaffun­g eines Panzers zehn Jahre dauere. „Aber Klamotten zu kaufen, kann nicht so lange dauern.“

Von der Leyen geht in die Offensive. Kurz vor Bartels’ Präsentati­on lädt sie die Presse ins Ministeriu­m. Ihr oberster Soldat, Generalins­pekteur Volker Wieker, will ein paar Dinge aus seiner Sicht klarstelle­n. Die Erregung ist ihm anzusehen. Er kann die Berichte nicht nachvollzi­ehen. Die Truppe sei ausreichen­d ausgerüste­t für ihre Einsätze, sagte der General.

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Foto: W. Kumm, dpa 120 Seiten Kritik: Hans Peter Bartels. Wehrbeauft­ragter

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