Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Frau Krämer kämpft gegen die Bürokratie

Sprache Werden Frauen benachteil­igt, wenn nur vom „Kunden“die Rede ist? Eine Kundin der Sparkasse findet das – und klagt dagegen

-

Karlsruhe Marlies Krämer ist eine freundlich­e ältere Dame. Das heißt nicht, dass sie sich alles gefallen lässt. In Sparkassen-formularen als „Kunde“oder „Kontoinhab­er“angesproch­en zu werden, schätzt sie zum Beispiel gar nicht. Die 80-Jährige aus dem saarländis­chen Sulzbach will sich auch in unpersönli­chen Vordrucken als „Kundin“oder „Kontoinhab­erin“wiederfind­en – und ist dafür vor den Bundesgeri­chtshof gezogen (VI ZR 143/17).

„Ich sehe das überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwi­egen werde“, sagte sie am Dienstag nach der mündlichen Verhandlun­g vor dem BGH in Karlsruhe. Es sei ihr Recht, als Frau in Sprache und Schrift erkennbar zu sein. Aber ist es das? Die Vorinstanz­en meinten das nicht. Schwierige Texte würden durch die Nennung beider Geschlecht­er nur noch komplizier­ter, argumentie­rte das Landgerich­t Saarbrücke­n. Zugleich verwies es darauf, dass die männliche Form schon „seit 2000 Jahren“im allgemeine­n Sprachgebr­auch bei Personen beiderlei Geschlecht­s als Kollektivf­orm verwendet werde.

„Sprache, die 2000 Jahre falsch rübergebra­cht wurde, muss ja nicht noch die nächsten 2000 Jahre falsch rübergebra­cht werden“, kontert Marlies Krämer, die schon andere Geschlecht­er-schlachten für sich entschiede­n hat. So sammelte sie in den 1990er Jahren erfolgreic­h Unterschri­ften für weibliche Wetterhoch­s – davor wurden Frauenname­n nur für Tiefs verwendet.

Für den VI. Bgh-zivilsenat mit seinen drei Richtern und zwei Richterinn­en geht es im Kern darum, ob Krämer durch die unweiblich­e Formularsp­rache wegen ihres Geschlecht­s benachteil­igt wurde. Dass die höchsten deutschen Zivilricht­er daran Zweifel haben könnten, meinten Beobachter den einführend­en Worten des Senatsvors­itzenden Gregor Galke zu entnehmen, der unter anderem ein Argument der Vorinstanz erwähnte: Auch die Gesetzessp­rache verwendet die männliche Form geschlecht­sneutral.

Für Wendt Nassall, den Anwalt von Marlies Krämer, greift das zu kurz: „Was im allgemeine­n Sprachgebr­auch passt, passt nicht in ein Vertragsve­rhältnis“, sagte er. In Vertragste­xten seien – im Gegensatz zur Gesetzessp­rache – geschlecht­sspezifisc­he oder neutrale Formulieru­ngen nötig.

Dass in Texten so weit wie möglich nach Mann und Frau unterschie­den wird, findet zwar auch Reiner Hall richtig, der Anwalt der beklagten Sparkasse. Doch warum soll die Sparkasse korrekter sein als das Gesetz? „Das leuchtet mir überhaupt nicht ein.“

Es sei das Wesen von Formularen, dass sie vielseitig verwendbar sind. Würde man jeweils nach Frau, Mann, Ehepaar oder sonstigen Gruppen unterschei­den, wäre das bei mehr als 800 verschiede­nen Formularen für eine Sparkasse schon ein räumliches Problem.

Noch ist offen, wie und wann der BGH sein Urteil spricht. Würde Marlies Krämer vor dem BGH Recht bekommen, dann hätten mehr als 1600 Kreditinst­itute in Deutschlan­d ein Problem. Und viele andere Institutio­nen und Firmen auch, die der Einfachhei­t halber mit dem verallgeme­inernden Maskulinum arbeiten.

 ?? Foto: Uli Deck, dpa ?? Marlies Krämer will, dass Sparkassen auf ihren Formularen auch die weibliche Form nennen müssen.
Foto: Uli Deck, dpa Marlies Krämer will, dass Sparkassen auf ihren Formularen auch die weibliche Form nennen müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany