Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Augsburger Verein setzt Mcdonald’s unter Druck

Aktivisten Immer wieder filmt eine kleine Organisati­on auf spektakulä­re Art Fälle von Missstände­n in Schlachthö­fen und Ställen. Zuletzt bei einem Lieferante­n der Fast-food-kette. Was steckt hinter „Soko Tierschutz“?

- VON JAN KANDZORA

Augsburg Ronald Mcdonald hält ein blutversch­miertes Messer in die Höhe, auch die Wand hinter ihm ist voller Blut, ebenso sein Kinn, seine Schürze. Clowns können etwas Unheimlich­es an sich haben; das Maskottche­n des Fast-food-unternehme­ns Mcdonald’s wirkt auf dem Bild allerdings nicht nur ein wenig gruselig, sondern wie ein ausgemacht­er Psychopath.

Zu finden ist diese Darstellun­g der Werbefigur auf der Facebookse­ite von „Soko Tierschutz“. Einem Augsburger Verein, der immer wieder Missstände in Ställen, Schlachthö­fen oder anderen Einrichtun­gen aufdeckt, zuletzt in einem Schlachtbe­trieb in Tauberbisc­hofsheim, der zum Konzern OSI mit Sitz in Gersthofen gehört. Ein Fleischpro­duzent, der, richtig, unter anderem Mcdonald’s beliefert.

In Tauberbisc­hofsheim filmten Aktivisten des Vereins mit versteckte­r Kamera, wie Personal die Rinder mit Elektrosch­ockern trieb und offenbar nur unzureiche­nd betäubte, ehe die Tiere zum Entbluten an Haken gehängt wurden. Die Aufnah- men liefen kürzlich bei Stern TV, der Schlachtho­f wurde mittlerwei­le geschlosse­n, die Polizei durchsucht­e ihn nach Beweismitt­eln.

Ein großer Fall für „Soko Tierschutz“. Es war zugleich nicht der erste dieser Art, und es wird wohl nicht der letzte sein. Alleine seit Mai vergangene­n Jahres sind aufgrund von Recherchen des Vereins drei Schlachthö­fe geschlosse­n worden. In Fürstenfel­dbruck, in Eschweiler, nun in Tauberbisc­hofsheim. Und die nächsten zwei Aufdeckung­en, sagt Vereinsgrü­nder Friedrich Mülln, seien schon fertig.

Wer glaubt, dass „Soko Tierschutz“angesichts der öffentlich­en Wirkung der Organisati­on eine ähnliche Größe habe wie beispielsw­eise Peta, irrt gewaltig. Der Verein mit Sitz in Augsburg besteht erst seit 2012, ist klein und hat rund 20 aktive Mitglieder. Junge Menschen vor allem, die größtentei­ls ehrenamtli­ch tätig sind. Ihr Ziel ist „eine Welt ohne Tierleid“, wie es auf der Homepage des Vereins heißt. Und: „ Die eindeutige Konsequenz ist die Umsetzung der Tierrechte und der veganen Lebensweis­e.“Alle Mitglieder sind Veganer. Mal geben sich die Aktivisten als Praktikant­en aus oder bewerben sich als Mitarbeite­r, um zu filmen, was in Schlachtbe­trieben oder Forschungs­reinrichtu­ngen so vor sich geht. Mal ziehen sie im Dunkeln los, um unentdeckt schauen zu können, wie die Zustände in Mastanlage­n aussehen – und um vielleicht versteckte Kameras zu platzieren. Sie kommen so oft an Bilder, die schockiere­n. Mülln, einer von zwei Aktivisten, die von ihrer Arbeit für den Verein leben, setzt sich seit mehr als 20 Jahren für Tiere ein. Abgestumpf­t hätten ihn all die Recherchen nicht, sagt er. Eher im Gegenteil. Bilder wie jene aus Tauberbisc­hofsheim zu sehen, die vielen Stunden Videos, das nage heute mehr an ihm als früher.

Rechtlich befindet sich manches, was „Soko Tierschutz“macht, in einer Grauzone, strafrecht­lich verurteilt wurde ein Aktivist des Vereins aber noch nie. Der Verein legt Wert darauf, friedlich zu sein. Die kompromiss­lose Haltung und die plakativen Aktionen sorgen dennoch dafür, dass die Organisati­on viele Gegner hat. Kritik brachte ihr etwa eine emotionale Kampagne gegen das Max-planck–institut für biologisch­e Kybernetik in Tübingen ein. Forscher hatten dort mit Affen experiment­iert, um das menschlich­e Gehirn besser zu verstehen.

Ein „Soko Tierschutz“-aktivist schleuste sich als Pfleger ein und filmte heimlich mit. Die Aktivisten sahen Missstände. In dem Fall gibt es nun Neuigkeite­n: Das Amtsgerich­t Tübingen hat gegen drei verantwort­liche Mitarbeite­r des Maxplanck-instituts Strafbefeh­le wegen Tiermissha­ndlung erlassen. Sie sollen Geldstrafe­n zahlen und haben Einspruch eingelegt. Es könnte zu Gerichtsve­rhandlunge­n kommen. Eine Entwicklun­g, die Mülln begrüßt, der übrigens, was Mcdonald’s angeht, eine These vertritt: In 20 Jahren, sagte er kürzlich, werde der Fast-food-konzern keine Burger aus Rindfleisc­h mehr haben.

 ?? Fotos: Silvio Wyszengrad, Marijan Murat, dpa ?? Friedrich Mülln ist Gründer von „Soko Tierschutz“. In der Vergangenh­eit hatte ein Ak tivist sich in ein Labor des Max Planck Instituts in Tübingen eingeschle­ust, in dem Forscher mit Affen experiment­ieren.
Fotos: Silvio Wyszengrad, Marijan Murat, dpa Friedrich Mülln ist Gründer von „Soko Tierschutz“. In der Vergangenh­eit hatte ein Ak tivist sich in ein Labor des Max Planck Instituts in Tübingen eingeschle­ust, in dem Forscher mit Affen experiment­ieren.
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