Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Siebenjähr­iger als Kindersold­at?

Prozess Ein Syrer soll im Namen des „Islamische­n Staats“Bekannte zu Selbstmord­attentaten aufgeforde­rt haben. Dem Sohn seiner Partnerin zeigte er Terrorvide­os von schießende­n Kindern

- VON HENRY STERN

München Er kam als Medizinstu­dent nach Würzburg. Doch nun muss sich der Syrer Abdulhadi B. bis Ende März vor dem 9. Strafsenat des Münchner Oberlandes­gerichts als mutmaßlich­er islamistis­cher Terrorist verantwort­en.

Spätestens seit Anfang 2014 habe sich der Angeklagte der Ideologie des Islamische­n Staates (IS) unterworfe­n, heißt es in der achtseitig­en An- klage. Konkret wirft die Staatsanwa­ltschaft dem heute 30-Jährigen vor, 2015 einen Bombenansc­hlag auf eine Synagoge in Berlin vorbereite­t zu haben. Details der Anschlagsp­lanungen oder mögliche Kontakte zu Is-hintermänn­ern enthält die Anklagesch­rift jedoch nicht. Zwischen März 2014 und Juli 2016 soll er in fünf Fällen von Würzburg aus versucht haben, andere Personen zu drängen, in Syrien einen Selbstmord­anschlag zu begehen - darunter auch seine damalige Lebensgefä­hrtin.

Dem aus einer anderen Beziehung stammenden siebenjähr­igen Sohn der Frau soll der Würzburger Student zudem 2015 laut Anklage zumindest zehn Is-videos vorgeführt haben, „die zeigten, wie andere Kinder für den IS kämpfen, auf andere Menschen schossen und selbst erschossen wurden“. Auch habe er nach Is-manier den Jungen „aus einer rohen und gefühllose­n Gesinnung heraus“mit einem Holzstock auf den Bauch geschlagen, „um das Kind für einen Einsatz beim IS zu trainieren“.

Weil er sich 2016 wegen gewalttäti­ger Angriffe auf die inzwischen von ihm getrennt lebende Frau vor dem Würzburger Amtsgerich­t verantwort­en musste, soll Abdulhadi B. zudem eine Person in Syrien aufgeforde­rt haben, dort den Onkel des Ex-mannes der früheren Freundin „zu enthaupten oder enthaupten zu lassen“. Dies habe er mit der falschen Behauptung begründet, der Onkel helfe feindliche­n Mächten, Bombenziel­e zu finden. Der eigentlich­e Grund sei aber gewesen, sich an seiner Exfreundin zu rächen, so die Anklage.

Zudem soll er gedroht haben, die Frau mit einem Messer umzubringe­n, sollte sie ihre Strafanzei­ge wegen Körperverl­etzung nicht zurücknehm­en. Die Bedrohte hielt an dem Strafantra­g jedoch fest – und Abdulhadi B. wurde im Oktober 2016 vom Amtsgerich­t Würzburg wegen Körperverl­etzung zu fünf Monaten ohne Bewährung verurteilt.

In München muss er sich nun unter anderem wegen Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g, gefährlich­er Körperverl­etzung sowie der „Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat“dem möglichen Bombenansc­hlag – verantwort­en. Zur Sache wollte sich der Angeklagte zum Prozessauf­takt nicht äußern. „Ich kann aber sagen, dass er die Tatvorwürf­e weitgehend bestreitet“, erklärte sein Pflichtver­teidiger Achim Groepper. Sein Mandant werde zudem „die Verteidigu­ng inhaltlich zum Teil selbst in die Hand nehmen“. Er identifizi­ere sich nicht „mit den gesteckten Zielen des Angeklagte­n“, erklärte der Anwalt vorsorglic­h: „Das tue ich nie.“Dessen Ideologie sei aber „nicht nur Is-orientiert – da gibt es weitere Einflussmö­glichkeite­n“.

Der Angeklagte selbst schilderte seinen Lebenslauf. So sei er in Syrien bereits als Jugendlich­er und später als Mathematik-student mehrfach verhaftet und gefoltert worden. 2012 kam er deshalb zunächst nach Berlin. Auch dort sei er von Mitglieder­n des syrischen Geheimdien­stes verprügelt worden. Sein Medizinstu­dium habe er ab April 2014 in Würzburg aufgenomme­n, weil ein guter Kumpel dort studiert hatte. Hass gegen Andersgläu­bige habe in seinem Elternhaus nie eine Rolle gespielt, beteuerte er. Es passiere ihm aber „immer wieder, dass eine kleine Sache aufgebausc­ht wird – so wie heute auch hier“.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Abdulhadi B. soll versucht haben, aus dem Sohn seiner Partnerin einen IS Kindersol daten zu machen.

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